Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
geschickte Sklavensprache, die Hugh zu handhaben verstand. Aber das offene Vertrauen war blockiert worden; Mahan konnte die unsichtbaren Gedanken dieser jungen Menschen im Unterricht nicht mehr erfahren.
Wenig später berichtete ihm Cargill von ähnlichen Erscheinungen in der elften Klasse.
»Ich bin sehr beunruhigt, Mahan. Snider hätte Ihr pulsierendes Gespräch mit den Schülern nicht abwürgen dürfen. Mir ist unheimlich – ich sage es Ihnen ungeschminkt –, ich habe Angst, wenn ich in die schwarzen Augen zu sehen versuche und nichts finde als eine schwarze Wand.«
Mahan zuckte die Achseln.
Am Freitagabend brachte er Jerome Patton und Julia Bedford auf die King-Ranch. Die Jahreszeit war fortgeschritten. Noch fiel kein Schnee, aber der Wind fegte über das Hochland, jagte letzte Krautgerippe und dürre Zweige und schnitt mit seiner Kälte in die Haut wie mit Messern. Der Boden war schon hart gefroren.
Nach Einbruch der Dunkelheit fuhr Mahan in das Tal der Weißen Felsen ein. Er ging auf 10 m/h zurück, da er in den Wiesenweg einbiegen wollte und zuvor einem auf seiner Straßenseite haltenden Wagen auszuweichen hatte, in den soeben Mac Lean und seine beiden Großmütter einstiegen. Mac Lean senior holte die alten Damen ab. Sie waren als Besitzzeichen wohl nicht mehr nötig. Die Kühe auf der Weide und ihr Cowboy mochten genügen.
Die Ankunft auf der King-Ranch vollzog sich wie immer zwanglos, freundschaftlich. Mahan schlenderte umher und ging schließlich in die Pferdekoppel. Er wollte nicht nur mit den Tieren bekannt bleiben, er hatte Julia dort beobachtet, und er suchte eine Gelegenheit, mit ihr allein zu sprechen. Es blieb schwierig, anzuknüpfen.
Die Unterhaltung über die Pferde lief nur stolpernd weiter. Julia schaute Hugh endlich lange halb prüfend, halb spöttisch an; ein sehr merkwürdiger Ausdruck lag über ihrem jungen Gesicht, verstärkt durch das kalte Mondlicht und die Nachtschatten.
»Sie sind abgespannt, Mister Mahan«, sagte sie endlich und griff dann ungescheut an. »Man hat Sie abgespannt, und jetzt stehen Sie da wie das ledige Pferd neben dem Wagen und können ihn nicht mehr von der Stelle bringen. Warten Sie auf Ihren Kutscher?«
»Sagen Sie doch gleich, auf die Peitsche«, antwortete Mahan und streichelte die Appalousa-Stute, mit den Fingerspitzen die Narben abtastend, die das Tier bei Witterungswechsel ebenso brennen und jucken mußten wie einen Menschen die seinen. Es war von seinem früheren Herrn mit Sporen und Peitsche arg geschunden worden.
»Ich allein kann nichts ausrichten, Julia, wenn Sie nicht mit mir zusammenhalten.«
»Sie werden sich von uns erholen, Mister Mahan. Bald ist Weihnachten, dann fahren Sie nach Alaska.«
»Stört Sie das, Julia Bedford?«
Das Mädchen wollte weglaufen; aber sie blieb.
»Wasescha«, sagte sie in der Stammessprache, sobald es ihr gelungen war, sich selbst zu überwinden. »Du suchst deine Frau. Wakiya-knaskiya Byron Bighorn hat es mir gesagt. Du mußt Magasapa Ikagiya suchen, das ist wahr und gewiß. Aber wirst du nichts anderes denken? Wir eingeborenen Kinder des Landes sind weit verstreut und arm, und es ist immer schwer für uns, miteinander zu sprechen und uns zu verbünden. Hier sind einige von uns, und dort wohnen einige von uns, über Hunderte und Tausende Meilen getrennt, aber überall schlägt uns die Faust des weißen Mannes in den Nacken, und wir sehen ein Leben als Unmündige und darum als Knechte vor uns. Manchmal ist mir zumute, als ob ich am dürren Galgenbaum hinge. Eine erstickende Hoffnung ist schlimmer als gar keine. Das weißt du, und du fühlst es selbst jeden Tag. Es muß etwas geschehen. Wir brauchen ein Zeichen. Sonst wollen viele von uns nicht mehr leben. So denke auch ich, und so denkt Wakiya. Aber Alice hat einen Brief erhalten, und sie weiß, daß es Eingeborene unseres Landes gibt, die aufstehen und etwas tun wollen. Kannst du sie nicht finden?«
»Vielleicht, Tatokala Taga, werde ich einen von ihnen treffen. Monture und Andy Tiger geben mir Namen, und ich kenne selbst einige. Doch können wir uns nicht auf sie allein verlassen. Wir müssen auch hier in unserer dürren Prärie und mitten in unserem Stamm etwas zustande bringen. Seit Tishunka-wasit-win starb, ist die Feindschaft der Bighorns ganz überwunden. Carr und Mac Lean haben die Bisons vertrieben, aber Joe, Melitta und Patrick werden künftig als gute Nachbarn zusammenarbeiten. Das ist so viel wert wie hundert Büffel. Es ist ein neuer Weg, der zu
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