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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Manchmal klang es, als würde sie mit sich selbst reden oder die gleichen komplizierten, rätselhaften Wörter sagen wie die anderen, wie die, die ihr immer wehtaten.
    Manchmal redete die Bürstendame mit dem grauen Tuch auch wieder nicht mehr mit ihr oder konnte sie nicht mehr verstehen.

    Das war seltsam.
    Wenn sie am Abend mit ihr redete, war die Bürstendame mit dem grauen Tuch irgendwie anders als sonst. Sie ging anders, stand anders. Wenn der Mann da war, der immer brüllte, war sie immer gleich, doch nachdem er endgültig verschwunden war, konnte es passieren, dass sie sich leicht veränderte. Aber nur, wenn sie mit ihr redete. Vielleicht bemerkte außer ihr ja niemand, wie sich die Bürstendame mit dem grauen Tuch verwandelte. Aber sie war in der Lage, solche Dinge wahrzunehmen. Sie war besonders und nahm Dinge wahr, die andere nicht bemerkten. Und das war nur eine der besonderen Sachen, die sie konnte, einer der Gründe, warum sie nicht so war wie die anderen, warum sie schlechter war. Aus diesen Gründen war sie ein Problemkind und schwer erziehbar und entwicklungsbeeinträchtigt , bevor dann entschieden wurde, dass sie verhaltensgestört und eine Delinquentin und eine Gefahr für sich und andere war (die anderen mussten sich schützen, das verstand sie).
    Schließlich hatten diese Dinge dazu geführt, dass sie einen Zusammenbruch erlitt und daher mit sofortiger Wirkung eine Zwangseinweisung auf unbefristete Zeit zur Pflege in einer Anstalt angeordnet werden musste, und deshalb befand sie sich jetzt in langfristiger Behandlung. Zuerst in einer Klinik wie ein Gefängnis. Dann in einer anderen, die genauso war, nur anders. Und zuletzt hier, wo es schlimmer war als in den zwei Klinikgefängnissen, weil ihr hier sogar die Leute wehtaten, die sie pflegen sollten. Und am schlimmsten war, dass sie ihre besonderen Sachen nicht einmal dazu nutzen konnte, vor den Schmerzen zu fliehen.
    Und sie konnte auch nicht zurückschlagen. Sie konnte den Menschen, die ihr wehtaten, nicht wehtun, weil da diese
Leute in normaler Kleidung vor ihr saßen, diese Leute, die sie mit zusammengekniffenen Augen beobachteten, die Fäuste ballten und sich vorbeugten. Oder vielleicht lag es an den Flüssigkeiten, die mit den Spritzen in ihren Körper drangen. Davon schlief sie immer ein, oder sie war so benommen, dass sie nicht mehr richtig denken und zielen konnte.
    Hier sind ein paar Sachen, die die Bürstendame mit dem grauen Tuch zu ihr sagte:
    »Hallo, wie geht es dir? Was haben sie dir diesmal gegeben? Wie nennen sie dich? Versuchsperson sieben.Wirklich liebevoll. Erinnerst du dich an mich? Wie geht’s dir? Was haben sie mit dir gemacht? Abend, ich schon wieder. Das kenne nicht mal ich, was ist das für ein Zeug, verdammt? Oh. Hallo, Versuchsperson sieben. Eine Weile her. Wie steht’s? Mist, was pumpen sie dir jetzt schon wieder … Bist du überhaupt noch bei dir, Sieben? Ja? Ist da noch jemand? Scheiße, du armes Ding. Anscheinend sehen sie irgendwas in dir. Irgendwas, was sie benutzen wollen. Mmhmm. Na, hoffentlich geht das gut aus … Was? Ach, wenn ich nur könnte.Was machen sie jetzt schon wieder mit dir? Du armes …«
    Und so weiter und so weiter.
    Sie antwortete folgendermaßen:
    »Ich kucke Montys Video. Reißt mich aus dem Ander. Dem Gör versohl ich den Hintern, so wahr mir. Um Fimmels willen, du bringst mich noch ins Grab. So was hab ich noch nie gesehen. Ich schwör’s beim Brosamen meiner Mudder. Vom Fleck weg geleckt. Abstimmung? Ich zeig dir gleich Abstimmung, du Gieraffe - beug dich vor. So wahr mir. Haltet euch fest Rüder und Gestern, es kommen karossale Zeiten auf uns zu! Klunk.«

    »… mich? Hörst du mich? Pass auf, ich kann dich hier nicht rausholen, Sieben, weder physisch noch anders. Sowieso ein Wunder, dass ich überhaupt da bin. Hätte nie gedacht, dass ich mich so anstrenge, um hier nochmal reinzukommen. Wahrscheinlich verstehst du sowieso kein Wort, oder? Trotzdem, falls du mich doch irgendwie verstehst: Du allein bist der Grund, warum es sich gelohnt hat. Einfach um zu sehen, was sie machen, was sie wollen, welche Gefahren sie auf sich nehmen, wie weit sie gehen. Aber weißt du, vielleicht ändern sich die Dinge. Hör zu. Du tust alles, um es so leicht wie möglich zu haben, okay? Verstehst du? Tu, was sie verlangen, aber behalt dir einen wahren Kern, eine widerspenstige Seele - keine Angst, sondern Wut. Eines Tages wirst du frei sein, und dann sehen wir, was sich machen lässt. Vielleicht bin ich

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