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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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Koffer in die Hand.
    Er stieg die Treppen nach unten ins Innere des Schiffs. Der Geruch von Erbrochenen und Urin lag zum Schneiden in der Luft und ihm wurde schlagartig übel. Er trat an ein Pissoirs, obwohl er nicht musste, wusch sich lange die Hände und ging erst wieder nach oben, als das Brummen der Maschinen leiser wurde.
    Die beiden Männer standen nun auf Backbord und Steuerbord unweit der Festmacher und vor allem unweit von Mathilda, Carl und Marie, die sich ans Schanzkleid lehnten. Sie wollten wohl sicher gehen, dass Jonas an einem von ihnen dichter vorbei musste.
    Der Mann auf Steuerbord lächelte breit. Die kantigen Züge mit schmalen Nasenlöchern, die an eine Schildkröte erinnerten, passten zu einem Osteuropäer, vielleicht auch mit einem entfernten asiatischem Einschlag. Der Mann nahm den Trolley auf, neigte sich dabei zur Seite, um das offenbar beachtliche Gewicht zu kompensieren. Die Rollen wollte er nicht benutzen.
    Jonas war sicher, dass er ihn anschaute, auch wenn er die Augen durch die dunklen Brillengläser nicht sehen konnte, und es durchfuhr ihn wie ein Blitz. Er hörte Worte, die in seinem Kopf hallten, so laut als müsse jemand eine Halle voller Maschinen übertönen. „Du bist schon tot, Junge!“, schrie die Stimme. „Du bist schon tot!“ Sie wiederholte es immer wieder. Sie war nur in seinem Kopf und doch musste Jonas dem Drang widerstehen sich die Ohren zuzuhalten.
    Die Festmacher wurden dicht geholt. Mit einem langen Ton aus dem Horn öffneten sich die Gatter am Steg und Jonas lief los. Er wollte nur noch weg von den Männern, weg von der Stimme, die nicht verschwand, die hallte wie ein Echo, das nicht leiser werden wollte.
    Auf dem Steg drückte Carl ihm den Koffer in die Hand. „Du kannst auch was nehmen, sei nicht so faul!“, maulte er.
    „B arney kommt schon wieder zu spät“, stellte Marie fest.
    „Er kommt auch nicht. Ich habe vorhin mit ihm telefoniert, wir werden laufen“, entgegnete Mathilda. „Ich habe ja nicht viel Gepäck und ich will mich bewegen. Das Wetter ist herrlich und hier ist es kühler als auf dem Festland. Ich war seit Monaten nicht mehr auf der Insel.“
    „ April, wenn ich mich nicht irre und ich glaube auch nicht, dass sich da viel geändert haben wird“, sagte Jonas leise. Er hatte es gar nicht als Scherz verstanden, sondern es einfach festgestellt, aber Carl prustete los. Die beiden beschleunigten ihre Schritte, liefen ein paar Meter voraus und endlich wurde die Stimme in seinem Kopf leiser.
    Schon im Ort schwitzte er wieder. Er bat Carl den Koffer zu tragen und nahm ihm die Tasche ab, die er sich über die Schulter hängen konnte. Er drehte sich fortwährend um, aber die Männer hatte er schon auf dem Kai aus den Augen verloren. Die Insel war zwar klein, aber es gab viele Wege aus dem Hafen.
    Die Strecke bis zum Hof, ungefähr zweieinhalb Kilometer, stellte für Jonas eine unerwartete Herausforderung dar. Er fühlte sich kraftlos, schlapp und kurzatmig, seine Knie eierten butterweich, seine Muskeln zitterten, was sogar Carl auffiel, als sie auf den letzten Metern waren. „Was ist mit dir los? Alles in Ordnung?“, fragte er.
    „Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung.“ Das musste es sein, dachte Jonas; er hatte stundenlang in der Kälte in der Anderswelt gefroren.
    „T rink von Fannys Kräuterlikör und nimm Aspirin, eine unschlagbare Kombination für jede Erkältung.“
    „Vielleicht mache ich das“, antwortete Jonas.
    Mathilda bezog Carls Zimmer und Carl räumte ein paar Sachen von sich ins Turmzimmer, wo Jonas sich aufs Bett fallen ließ.
    „Ich muss rechts schlafen“, sagte Carl.
    „Warum?“
    „Nur Frauen schlafen links.“
    „Ach, und was bin ich?“
    „Ach, bitte“, quengelte Carl .
    „Das ist mein Zimmer“, protestierte Jonas.
    Carl setzte seinen Hundeblick auf. Jonas gab nach und robbte auf die andere Seite. Er schaute auf die Uhr. Es war schon kurz nach halb sechs und sie würden sicher gleich zu Wilma aufbrechen, was bedeutete noch einmal in den Ort zu laufen und später wieder zurück. Vielleicht konnte er sagen, dass er sich nicht gut fühlte … Er dachte wieder an die beiden Männer und vor allem an das, was der eine zu ihm gesagt hatte. Auch wenn er nicht gesehen hatte, dass er wirklich mit ihm sprach, er musste es gewesen sein oder er halluzinierte. Jonas fasste sich auf die Stirn, aber heiß fühlte sie sich nicht an. Er glaubte nicht, dass er Fieber hatte. Nein, das war etwas anderes.
    Warum hatte der Mann das

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