Weltenende (German Edition)
Galopp über den Strand.
Der Ritt wurde anstrengend, aber Jonas kam er weit kürzer vor als der Hinweg vor ein paar Tagen. Und mit der Zeit fühlte er sich sicherer. Hinter ihnen hatten sie von der Ombrage nichts mehr gesehen und mit dem Tageslicht konnten sie auch voraus und in größeren Entfernungen niemanden mehr erkennen. Erst auf dem Steg vor dem Ruderboot, das sie von der Insel herübergebracht hatte, beschlich Jonas wieder ein unangenehmes Gefühl.
„ Was ist mit diesem Hakemann?“ Carl lief schwerfällig und breitbeinig über den Steg.
„Er wird uns nicht noch einmal finden. So schnell, wie wir mit den Pferde n waren, ist er nicht“, antwortete Lennart, aber einmal mehr klang er nicht überzeugt.
„A ber der Kerl wohnt im Wasser und mir ist keine Fischart bekannt, die es nur einmal gibt“, konterte Carl.
„Die Ombrage hat es viel Kraft gekostet ein derartiges Wesen für sich zu gewinnen. Ich bin seit dreiundzwanzig Jahren keinem Hakemann begegnet und es gab wohl keine Woche, in der ich nicht auf dem Meer gewesen wäre.“ Lennart sprang in das Boot und löste die Vertäuung. „Kommt schon, Jungs! Falls ihr nicht fliegen könnt, bleibt euch ohnehin nichts anderes übrig.“
„ Da hat er Recht“, meinte Jonas. „Wir rudern einfach schneller.“
Je weiter sie sich vom Ufer entfernten, desto unsicherer wurden sie, auch Lennart. Sie behielten das Wasser im Auge und Jonas konzentrierte sich darauf, was er fühlte, schließlich hatte er vorhin den Hakemann bemerkt, bevor er aufgetaucht war. Der Wind hatte aufgefrischt und aus Westen lief eine steile Dünung gegen sie. Trotz aller Eile kamen sie nur langsam voran. Erst im Schutz der Insel beruhigte sich das Meer.
Lennart blieb im Boot, als sie das Ufer erreichten. „Ich muss wieder zurück. Ihr kommt alleine nach Hause, oder?“, sagte er.
Jonas nickte. „Danke, Lennart.“
„Du kannst es nicht alleine schaffen. Du brauchst Hilfe; das sollte dir klar sein.“
Er hob kurz die Hand zu einem Gruß und zog das Boot zurück aufs Wasser.
Jonas und Carl schauten ihm kurz hinterher. „Ich wollte jetzt nicht wieder zurückfahren“, sagte Carl.
„Nein, ich auch ni cht.“
Sie liefen zur der Stelle, wo sie von ihrer in diese Welt hier gesprungen waren. Jonas legte die Hand auf das Kreuz, mit der anderen griff er Carls. Er sprach leise und zum ersten Mal selbst die Worte aus, die den Wechsel zustande brachten und es wurde der sanfteste Übergang, den er je erlebt hatte. Von einem Moment auf den nächsten standen sie wieder in der Sakristei, taumelten noch ein Stück und Carl seufzte tief einatmend auf. „Sommer, warm ... Gott sei Dank!“ Schon die eigentlich kühle Kirchenluft fühlte sich mollig warm an.
„Wo ist Ludwig?“
„Er kann nicht weit sein.“ Und Carl fügte an: „Ich glaube, der Gaul hat mich kastriert.“
„ Du musst die Bewegungen des Pferds ausgleichen. Barney hat dir das immer wieder erklärt. - Wir müssen zum Holzhacken.“
Carl verdrehte die Augen. „Das ist jetzt nicht wirklich dein ernst. Ich bin todmüde.“
„ Fanny weiß aber nicht, dass wir gerade eine Nacht durchgemacht haben. Also ... sie bekommt am besten gar nicht mit, dass wir weg waren..“
Carl nickte nur. „Ich brauche auf jeden Fall eine Dusche. Ich habe seit drei Tagen nur Katzenwäsche gemacht. Außerdem stinke ich nach Pferd. Ich glaube, Hedwig legt nicht ohne Grund so viel von dem Fliederparfum auf.“
K APITEL XVIII
Jonas wachte auf. Er fröstelte. Im Schatten war es kühl geworden. Marie war nicht mehr da und Carl lag auf dem Rücken schlafend auf einem Handtuch neben ihm.
Jonas schaute auf die Uhr. Es war halb sechs durch. Der Aufenthalt in der anderen Welt hatte ihm den gehörigen Jetlag einer Interkontinentalreise eingebracht. Seine Finger gruben sich in den weichen Sand und aus der geballten Faust ließ er ihn über seinen Fuß rieseln. Sie hatten sich ein windgeschütztes Plätzchen gesucht, das sie vorhin noch mit den Stockhausens aus der Pension geteilt hatten. Das Paar hatte nur in der Sonne gelegen oder sich geküsst und das auf eine Weise, die Carl mit breitem Grinsen als Vorspiel bezeichnet hatte. Im Westen türmten sich wieder ambossförmige Wolken in die Höhe. Es würde wieder gewittern, aber das machte nichts, dachte Jonas, denn sie mussten nirgends mehr hin und er würde früh zu Bett gehen.
Er ließ sich nach hinten auf die Ellbogen fallen und einige Zeit blieb er so liegen, bis er ins Wasser ging. Nach ein paar
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