Wendekreis des Krebses
dieser Monolog so weiter. Er redet, wenn er sich auszieht, so sagt sie mir, einen ständigen Strom warmer Pisse, als sei ihm die Blase geplatzt. Wenn ich mir vorstelle, wie Tania mit dieser geplatzten Blase ins Bett kriecht, packt mich die Wut. Sich vorzustellen, daß ein armseliger, abgelebter Kerl mit so billigen Broadway-Theaterstücken in petto auf die Frau pissen soll, die ich liebe. Rotwein verlangen und Trommelwirbel und geröstete Brotwürfel in seine Erbsensuppe! So eine Unverschämtheit! Sich vorzustellen, daß er neben dem Glutofen liegen kann, den ich ihm angeheizt habe, und nichts tut als Wasser lassen! Mein Gott, Mensch, du müßtest auf die Knie fallen und mir danken. Siehst du denn nicht, daß du jetzt ein Weib im Hause hast? Siehst du nicht, daß sie am Zerspringen ist? Du sagst mit deinen Polypen in der Nase gequetscht zu mir: «Ja nun, wissen Sie, man kann das auf zweierlei Weise betrachten …» Scheiß auf deine zwei Weisen, die Dinge zu betrachten. Scheiß auf deine pluralistische Weltanschauung und deine asiatische Akustik! Reich mir nicht deinen Rotwein oder deinen Anjou … lang sie herüber … sie gehört mir! Setz du dich an den Springbrunnen und laß mich den Flieder riechen! Wisch dir den Dreck aus den Augen … und nimm dieses verdammte Adagio und wickle es in ein Paar Flanellunterhosen ein! Und das andere kleine Stück auch … all diese kleinen Stücke, die du mit deiner schwachen Blase aufführst. Du lächelst mich an, so vertrauensvoll, so schlau. Ich schmeichle dir den Hintern ab, merkst du das nicht? Während ich deinem Gewäsch zuhöre, hat sie ihre Hand bei mir – aber das siehst du nicht. Du glaubst, ich litte gerne – das ist meine Rolle, meinst du. Okay. Frag sie mal! Sie wird dir sagen, wie ich leide. «Du bist ein Krebs und ein Delirium», sagte sie mir unlängst durchs Telefon. Sie hat ihn jetzt, den Krebs und das Delirium, und bald wirst du den Grind fressen müssen. Ihre Adern sind am Bersten, sage ich dir, und dein Gerede ist leeres Stroh. Ganz gleich, wieviel du pißt, du wirst die Löcher nicht füllen. Was hat Mister Wren gesagt? Worte sind Einsamkeit . Ich habe gestern abend ein paar Worte für dich auf dem Tischtuch zurückgelassen – du hast sie mit deinem Ellbogen verdeckt.
Er hat einen Zaun um sie errichtet, als wäre sie der schmutzige, stinkende Knochen eines Heiligen. Wenn er nur den Mut aufbrächte zu sagen: «Nimm sie!», würde vielleicht ein Wunder geschehen. Nur das: Nimm sie! , und ich schwöre, alles würde in Ordnung kommen. Nebenbei bemerkt würde ich sie vielleicht gar nicht nehmen – ob ihm das wohl je in den Sinn gekommen ist? frage ich mich. Oder ich könnte sie für eine Weile nehmen und sie dann zurückgeben – veredelt! Aber einen Zaun um sie aufzuführen, das wird nicht helfen. Man kann keinen Zaun um einen Menschen aufrichten. Man tut das heute nicht mehr … Du glaubst, du armer, abgelebter Tropf, daß ich nicht gut genug für sie bin, daß ich sie verderbe, sie entweihe. Du weißt nicht, wie schmackhaft eine verdorbene Frau ist, wie ein Wechsel in der Besamung eine Frau aufblühen lassen kann! Du glaubst, ein Herz voll Liebe sei genug, und vielleicht ist es das für eine richtige Frau, aber du hast gar kein Herz mehr … Du bist nichts als eine große leere Blase. Du fletschst die Zähne und knurrst. Du bleibst ihr auf den Fersen wie ein Wachhund und pinkelst überall hin. Sie hielt dich nicht für einen Wachhund … sie hielt dich für einen Dichter. Du warst einmal ein Dichter, sagt sie. Und was bist du jetzt? Mut, Sylvester, Mut! Nimm das Mikrophon aus deiner Hose. Tu dein Hinterbein herunter und hör auf, überall Wasser zu lassen. Mut, sag ich, denn sie hat dich bereits betrogen. Sie ist vergiftet, sage ich dir, und du kannst ebensogut den Zaun abreißen. Es hat keinen Zweck, mich höflich zu fragen, ob der Kaffee nach Karbolsäure schmeckt: das verscheucht mich nicht. Tu Rattengift in den Kaffee und ein bißchen zerriebenes Glas. Mach kochendheißen Urin und wirf ein paar Muskatnüsse hinein …
Die letzten Wochen habe ich ein geselliges Leben geführt. Ich mußte mich mit anderen Menschen zusammentun, besonders mit einigen verrückten Russen, einem betrunkenen Holländer und einer dicken Bulgarin namens Olga. Von den Russen sind es hauptsächlich Eugène und Anatole.
Olga kam erst vor ein paar Tagen aus dem Krankenhaus zurück, wo ihr eine Geschwulst ausgebrannt wurde und sie ein wenig von ihrem Übergewicht verlor. Sie
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