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Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Titel: Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Flimmern ein einziger, großer, gleißend heller Blitz wurde, wie ein schreckliches Unwetter, das abrupt über sie hereinbrach. Sie schrie laut auf und schlug die Hände vors Gesicht.

    Als Jonas den Streifenwagen auf den Parkplatz des Wildparks lenkte, sah er Chris neben dem geschlossenen Haupteingang stehen. Sie ließ die Schultern hängen und schaute nicht wie sonst in die Ferne, sondern starrte vor sich auf den Boden.
    Besorgt sprang er aus dem Wagen und ging eilig zu ihr. Als sie den Kopf hob, sah er, daß sie geweint hatte, und unter der Sonnenbräune war ihr Gesicht sehr blaß. Er berührte sie sanft an der Schulter. „He“, sagte er leise, „was ist denn los?“
    Plötzlich klammerte sie sich an ihn, und er spürte, daß sie am ganzen Körper zitterte. Sie schluchzte und stammelte, und erst nachdem er eine Weile beruhigend auf sie eingeredet, ihre Schultern gestreichelt und ihr zärtlichdurchs Haar gestrichen hatte, bekamen ihre herausgestotterten Worte allmählich einen Sinn. Sie hatte wieder eine der dunklen Visionen gehabt, gegen die ihr damals von dem Psychiater die Beruhigungstabletten verordnet worden waren. Sie hatte gehoft, das sei endlich ausgestanden, was sich aber o ff ensichtlich als Irrtum erwies.
    Chris‘ „dunkle“ Visionen waren während ihrer Teenagerzeit ein Phänomen gewesen, das Jonas ziemlich beunruhigt hatte. Meistens hatten ihre Träume und Intuitionen einen freundlichen, heilenden Charakter. Aber sie hatte geträumt, daß eine Freundin bei einem Motorradunfall umkommen würde, was, wie sich herausstellte, tatsächlich geschehen war. Und sie hatte den Tod ihrer Tante in der Nacht davor im Traum erlebt, mit allen Begleitumständen, die dann auch wirklich so eintrafen. Das alles hatte ihr damals große Angst eingejagt und sie sehr verwirrt.
    Daran mußte er denken, als sie erzählte, sie habe schreckliche Kopfschmerzen gehabt, die Augen geschlossen und nach einem grellen Lichtblitz plötzlich einen Mann gesehen, der durch den Wald rannte, auf der Flucht vor einer Gefahr, angstvoll und erschöpft keuchend. Schnelle Bewegungen habe sie gesehen. Etwas habe geknurrt und ihn von hinten angesprungen.
    „Er hat geschrien, furchtbar geschrien, und dann war da nur noch Blut, schrecklich viel Blut.“ Sie klammerte sich noch fester an Jonas. Dann schaute sie ihn verzweifelt an, gequält. „Glaubst du, ich werde verrückt? Ich meine, wirklich verrückt?“ Ihre Stimme zitterte, aber ihr Körper hatte sich nun, nachdem die Geschichte heraus war, endlich wieder etwas entspannt.
    „Ich glaube nicht einfach irgendwas“, sagte Jonas langsam und bemühte sich seine Stimme ruhig und fest klingen zu lassen. „Ich versuche den Dingen auf den Grund zu gehen und sie zu verstehen. Es gibt Menschen, die sind eine Gefahr für sich und andere. Darum muß man sie einsperren, um sie vor sich selbst zu beschützen. Damit sie keinen Schaden anrichten. Für mich besteht da, ehrlich gesagt, kein großer Unterschied zwischen Geisteskranken und Verbrechern. Auch Verbrecher halte ich in gewisser Weise für geistesgestört. Dann gibt es Menschen wie dich, die anders sind. Ich meine, ihre Wahrnehmung ist anders. Ein Hund hört zum Beispiel Frequenzen, die das menschliche Ohr nicht mehr wahrnimmt. Trotzdem sind diese Frequenzen wirklich da. Ich meine, sie existieren nicht bloß in der Phantasie des Hundes.“ Er schüttelte den Kopf und sagte mit Nachdruck: „Nein, du bist ganz bestimmt nicht verrückt!“
    „Danke.“ Ihre Stimme klang erleichtert. „Ich bin dir wirklich sehr, sehr dankbar, daß du das sagst.“
    Ihr Körper ruhte jetzt ganz weich in seinen Armen, die Verkrampfung und das Zittern waren verschwunden. „Weißt du, das ist die ganzen Jahre hindurch meine größte Angst gewesen: daß sie mich für geisteskrank erklären und in eine Anstalt sperren würden wie Mutter. Ich glaube, darum habe ich mich so krampfhaft bemüht normal zu wirken. Ich könnte es nicht ertragen, eingesperrt zu sein, ohne den Waldboden unter meinen Füßen, und ohne Tiere.“
    „Du bist nicht allein“, sagte Jonas mit belegter Stimme. „Du magst verrückt erscheinende Träume und Visionen haben, aber es gibt trotzdem Leute, die dich mögen. Der gute, alte Schöntges, zum Beispiel.“
    Chris seufzte und lächelte. „In letzter Zeit kehren all die Erinnerungen aus meiner Kindheit, die ich so lange völlig verdrängen wollte, zurück. Er ist damals sehr freundlich zu mir gewesen. Aber ich glaube, ich hatte trotzdem Angst vor

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