Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
hat mir.gerade noch gefehlt“, brummte Jonas unwillig.
Chris merkte, wie ihr Herz einen nervösen Sprung machte. Thönnes, der ihr damals so übel mitgespielt hatte. „Ist... war Lohmann Karolas Ehemann, oder war er mit ihrer Schwester verheiratet?“ erkundigte sie sich.
„Nein, mit Karola“, antwortete Jonas. Chris fragte sich, was aus Karola geworden war, in all den Jahren. Wie würde sie mit dem Tod ihres Mannes fertig werden? In gewisser Weise enttäuschte es sie, daß Karola in Buchfeld geblieben war, statt dieser schrecklichen Familie den Rücken zu kehren und fortzugehen.
Thönnes‘ Jeep hielt vielleicht zehn Meter hinter den Polizeiautos. Thönnes stieg aus und kam mit entschlossenen Schritten auf sie zu, graubärtig, dickbäuchig, mit leicht krummbeinigem Gang. Er hielt ein Gewehr in der Hand, rechnete wohl damit, sich jeden Augenblick gegen ingriffslustige Wölfe verteidigen zu müssen.
„Wo ist er?“ Seine Stimme klang Chris noch genauso unangenehm wie früher in den Ohren. Da sie sich rasch wieder auf den Beifahrersitz gesetzt und die Tür zugezogen latte, bemerkte er sie nicht. Er war alt geworden, sein Besicht ungesund rot und aufgedunsen.
„Dort vorn“, antwortete Jonas und führte Thönnes zu der Leiche. Sie hörte, wie Thönnes lauthals über die Untätigkeit der Polizei schimpfte. Sein Schwiegersohn könnte noch am Leben sein, wenn man rechtzeitig gegen diese Ökoterroristen vorgegangen wäre.
Jonas entgegnete: „Wir haben getan, was wir mit unseren wenigen Leuten konnten. Dafür, daß noch keine Verstärkung eingetroffen ist, bin ich nicht verantwortlich. Heute nachmittag kommt aber endlich ein großes Aufgebot, mit Hubschraubern und Scharfschützen.“ Bei dem Wort „Scharfschützen“ überlief Chris ein Schaudern. „Auch handelt es sich, soweit wir wissen, nicht um Ökoterroristen, sondern um eine Einzelperson namens Gablenz.“
„Unfug!“ schnaubte Thönnes. „Das haben meine Arbeiter auch behauptet. Aber da muß eine Verwechslung vorliegen. Ich kenne Gablenz. Hab ihn ein paarmal bei Henn getroffen. Bin sogar mit ihm zur Jagd gewesen. Ein toller Bursche und Parteifreund. Als Wissenschaftler ein absolutes As! Der bekommt bestimmt mal den Nobelpreis! Ausgeschlossen, daß er was mit dieser ... Schweinerei zu tun hat!“ Er wedelte mit der Zigarre, die zwischen seinen dicken Fingern qualmte. Gott, wie hatte Karola früher den ewigen Zigarrengestank ihres Vaters gehaßt! „Nein, nein! Ich will Ihnen sagen, was hier gespielt wird: Da sind ein paar linksradikale Ökoterroristen am Werk, die das Autobahnprojekt sabotieren wollen. Sie setzen dressierte, auf Menschen abgerichtete Hunde ein, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Und die Polizei geht wieder mal viel zu lasch gegen diese Revoluzzer vor. Wenn‘s nach mir geht, gehören solche staatsfeindlichen Elemente an die Wand gestellt.“ Er hielt sein Gewehr hoch. „Kurzer Prozeß! Und fertig!“
Armer Jonas! Wenn sich seine politischen Ansichten im Laufe der Jahre nicht geändert hatten, mußte er sich jetzt ziemlich zusammennehmen. Das gelang ihm aber recht gut. Chris sah, wie er seine lange Gestalt straffte und das Kinn vorschob. Kühl erwiderte er: „Noch mal: Mir liegen keine Erkenntnisse vor, daß die Morde einen terroristischen Hintergrund haben. Aber es treffen heute nachmittag Spezialisten vom BKA ein. Vielleicht wissen die ja mehr.“
Thönnes starrte auf den Toten und kaute dabei auf seiner Zigarre herum. „Muß Karola ihn sich ansehen?“ fragte er. Jonas schüttelte den Kopf. „Das ist nicht nötig.“
„Gut.“
Chris hatte zunächst vorgehabt, sich klein zu machen, damit Thönnes ihre Anwesenheit gar nicht bemerkte, wenn er zu seinem Wagen zurückging, aber plötzlich dachte sie: Verdammt. Warum soll ich mich vor diesem Kerl verstecken? Er ist es, der ein schlechtes Gewissen haben müßte, ich bin wieder da, und ich habe vor, für immer hier zu bleiben. Ob das Thönnes und seinesgleichen paßt oder nicht. Ich werde mich nicht davor fürchten, ihm Auge in Auge gegenüberzutreten!
Sie stieg aus und ging zielstrebig auf Jonas und den Bauunternehmer zu. „Sprechen Sie Karola bitte mein Beileid aus, Herr Thönnes“, sagte sie und fand, daß ihre Stimme überraschend ruhig klang.
Mit einer so heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Er wirbelte regelrecht herum, wie von einer Nadel gestochen, und starrte sie an. Vor sechs Jahren war sie ihm zuletzt begegnet. Damals, während ihres Praktikums im Park,
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