Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
Chris einen Seitenblick zu. „Willst du nicht mal versuchen, ob du mit Hilfe deiner besonderen Fähigkeiten ein paar Informationen beschaffen kannst?“ Sie schaute ihn überrascht an. „Du meinst...“
Er nickte aufmunternd, und sie wäre ihm vor Freude darüber, daß er an sie glaubte, am liebsten um den Hals gefallen. „Ein Versuch kann doch nichts schaden.“
Chris zog ihren Medizinbeutel aus der Tasche und öffnete ihn. Sie berührte kurz den Rosenquarz, nahm dann die Wolfsfigur in die eine und die Adlerfeder in die andere Hand. Sie schloß die Augen und konzentrierte sich, bemüht, sich durch die Fahrgeräusche und Vibrationen des Wagens nicht ablenken zu lassen.
-Traumwolf, bist du da? fragte sie in Gedanken.
Sofort kam er herbeigeeilt und schaute sie aufmerksam aus seinen runden Augen an.
-Was kann ich für dich tun?
-Sag mir, was es mit Gablenz auf sich hat.
-Gablenz ist tot.
Sie rieb sich die Schläfen. Offenbar verstand sie nicht richtig. Sie sah vor ihrem inneren Auge eine Jagdhütte. Schleis Hütte, vermutlich. Wie eine neugierige Elster spähte sie durchs Fenster. Sie sah Gablenz, der sich gerade die Droge injizierte. Dann sah sie Gablenz mit schmerzverzerrtem Gesicht hinter dem Steuer eines Geländewagens sitzen. Er stoppte vor der Jagdhütte und schrammte dabei mit dem Wagen an einem Baum vorbei. Er stieg aus, ging ein paar Schritte und blieb wie angewurzelt stehen. Chris sah eine Art Tunnel oder Schacht, der in eine unendlich erscheinende Tiefe hinabführte. Das Bärenwesen stieg aus dem Schacht und griff Gablenz an. Er wehrte sich vergeblich. Chris sah, wie das Wesen ihn in den Hals biß, so daß Blut hervorspritzte, und ihm dann mit der krallenbewehrten Pranke einen mächtigen Schlag versetzte. Gablenz taumelte rückwärts und stürzte in den Schacht. Chris konnte nicht sagen, wo dieser Kampf stattgefunden hatte, aber sie hatte das sichere Gefühl, daß er stattgefunden hatte, daß sie in der Zeit zurückblickte. Dann sah sie das Bärenwesen in Gablenz‘ Körper auf dem Waldboden sitzen, freudig von einem Eichhörnchen und einem Häher begrüßt.
Sie öffnete rasch die Augen und schüttelte den Kopf. Das war nun nicht gerade die Art von Information, die sie erwartet oder erhofft hatte. „Gablenz ist tot, glaube ich“, sagte sie leise, zweifelnd.
]onas kratzte sich verwirrt am Kopf. „Als er vor ungefähr einer Stunde Thönnes‘ Arbeiter von der Baustelle verjagt hat, war er aber noch sehr lebendig. Oder ist er so eine Art Zombie?“
Chris legte Wolfsfigur und Feder wieder in den Beutel zurück. „Vielleicht ist dieser Weg, Informationen zu beschaffen, doch nicht so hilfreich“, sagte sie kleinlaut.
Jonas legte ihr einen kurzen Moment tröstend die Hand auf die Schulter. Der Wagen rumpelte jetzt über die unbefestigte, grob planierte Trasse. Vor ihnen tauchten, leuchtendgelb, die verwaist herumstehenden Baufahrzeuge der Tiefbau-Union auf. Jonas bremste, Staub aufwirbelnd, neben den beiden Streifenwagen. Zwei uniformierte Polizisten, das mußten dann wohl Karl-Heinz und Toni sein, standen mit schußbereiten Maschinenpistolen bei den Wagen. Biggi und Hannes, die sie bereits kannte, waren hinüber zu einem am Boden liegenden Körper gegangen. Beide hatten ihre Pistolen gezogen. Biggi beugte sich über den Körper und betrachtete ihn aus der Nähe.
„Okay“, sagte Jonas, während er ebenfalls seine Pistole nahm und entsicherte, „ich gehe zu ihnen. Du wartest hier, ja?“
Chris blieb im Wagen und sah zu, wie Jonas zu Biggi und Hannes ging und dabei wachsam umherblickte. Doch weit und breit war von Gablenz und den Wölfen nichts zu sehen. Jonas redete mit den beiden. Die Sonne stand hoch am Himmel, und es war sehr warm, zu warm. Das T-Shirt klebte Chris am Körper. Sie stieg aus, um etwas frische Luft an ihren Rücken zu lassen, blieb aber hinter der geöffneten Beifahrertür stehen. Sie verspürte ohnehin keine große Lust, die Leiche näher in Augenschein zu nehmen. Sie drehte sich um und sah, daß sich weit hinten auf der Trasse ein Wagen näherte, der eine große Staubfahne hinter sich herzog.
Jonas kam zurück und sagte grimmig: „Langsam gewöhne ich mich an den Anblick von durchgebissenen Halsschlagadern.“ Er wollte sich in den Opel setzen, wohl, um zu telefonieren, doch als Chris ihn auf den sich nähernden Wagen aufmerksam machte, blieb er stehen.
„Das ist Thönnes“, sagte einer der beiden Polizisten mit Maschinenpistole. „Ich erkenne seinen Jeep.“ „Der
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