Wendland & Adrian 03 - Nachtauge
vorsichtig, ja?«, sagte Susanne leise. »Mario und der Jaguar. Ich bin sicher, dass da eine ganz enge Verbindung besteht.« Sie klopfte Chris zum Abschied auf die Schulter und stieg in ihren Wagen.
Chris fuhr mit Mario hinüber zum Felten-Haus, wo er schnell ein paar Sachen zusammenpacken wollte. Als sie eintraten, kam ihnen Hedwig in der Halle entgegen. »Oh, Frau Adrian«, sagte sie, sichtlich erleichtert. »Das ist gut, dass Sie dem Jungen zur Seite stehen. Mit ihren schamanischen Fähigkeiten können Sie bestimmt Licht in diese schlimmen Ereignisse bringen. Dann wird vielleicht für Mario noch alles gut werden ...«
In Marios Augen blitzte es wütend. »Gut werden?«, herrschte er Hedwig an. »Was reden Sie denn für einen Unsinn? Was soll noch gut werden, nach allem, was passiert ist?« Er ließ sie stehen und stürmte die Treppe hinauf.
Die Ärmste war richtig zusammengezuckt. »Ich habe es doch nicht bös gemeint«, stammelte sie und kämpfte mit den Tränen. »Aber ich kann ja verstehen, wie er sich fühlen muss.« Sie zog einen Zettel aus der Schürze. »Hier. Das hätte ich fast vergessen. Vorhin hat jemand für Mario angerufen. Ein gewisser Roger Bishop. Vom Akzent her ein Amerikaner, würde ich sagen.«
Sieh da, dachte Chris. Der amerikanische Freund. »Hat er gesagt, was er wollte?«
»Nur, dass er ein guter Freund Marios ist. Er sagte, er wollte ihm sein Beileid aussprechen und seine Hilfe anbieten. Dann gab er mir seine Telefonnummer.«
Chris nahm den Zettel und folgte Mario auf sein Zimmer. Er war dabei, eilig ein paar Anziehsachen und Bücher in eine große Sporttasche zu stopfen. »Hedwig hat es sicher nicht böse gemeint«, sagte Chris.
»Ja ja. Niemand meint je irgendwas böse.« Er hielt inne und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ach, ich bin einfach im Moment furchtbar durcheinander. Und ich will dieses Haus und die verdammte Raffinerie nicht mehr sehen.«
»Das kann ich verstehen.« Chris reichte ihm den Zettel. »Hier. Dein Freund Roger hat angerufen.«
Sehr über diese Nachricht zu freuen schien sich Mario nicht. Vermutlich war er dazu momentan einfach nicht in der Lage. »So? Aber ich glaube, ich rufe ihn jetzt nicht zurück. Lass uns erst in die Eifel fahren, ja?« Er hängte sich die Tasche über die Schulter. »Nichts wie weg!«
»Was ist, wenn der Notar noch was will?«, fragte Chris. »Sollen wir Hedwig nicht besser meine Adresse hinterlassen?«
Mario zögerte und nickte dann. »Stimmt. Ist wohl vernünftiger.«
Chris zog eine ihrer Waldschulen-Visitenkarten aus dem Portmonee und drückte sie unten der immer noch sehr weinerlichen Hedwig in die Hand. Dann fuhren sie los.
Susanne überlegte gerade, welchen Schleichweg zum Präsidium sie benutzen sollte, um das nachmittägliche Verkehrschaos zu umgehen, als sie einen Anruf Tönsdorfs erhielt.
»Hör mal, hier hat eben eine Frau mit einem ziemlich exotischen Namen angerufen. D-e-v-a-n-a-n-d-a, Mary. Sie wollte dich unbedingt sprechen.«
Die blonde Guru-Jüngerin.
»Es geht um diesen Schädelexperten, Thürmann. Offenbar ist er dabei, völlig auszurasten. Hat sich in seinem Büro eingeschlossen. Sie sagt, sie hätte nicht gewusst, an wen sie sich sonst wenden soll. Vielleicht könntest du ihn zur Vernunft bringen. Sie fürchtet, dass er sich was antut, will aber nicht, dass ich die uniformierten Kollegen schicke. Die würden ihn nur noch mehr aufregen, meint sie.«
»Verstanden. Ruf sie an und sag ihr, ich bin in ’ner Viertelstunde da.« Das war knapp kalkuliert. Sie pappte das Blaulicht aufs Dach, schaltete das Martinshorn ein, scherte aus dem kriechenden Verkehr auf die Überholspur aus und trat das Gaspedal durch.
Sie grinste. Für sie war das immer noch die schönste Art Auto zu fahren. Höchstwahrscheinlich hatte Thürmann inzwischen vom Tod der Eberhards erfahren, vermutlich wie Susanne die Meldung in den Radionachrichten gehört. Auch wenn der Name der Eberhards nicht genannt worden war, hatte er sich gewiss seinen Teil denken können. Sie alle waren damals in Belize zusammen im Dschungel gewesen, überlegte Susanne. Haben sie alle gemeinsam den Schädel gestohlen und Felten hat sie dann ausgebootet und den Schatz für sich allein behalten?
Susanne schaffte es in siebzehn Minuten und fand, dass weder Michael Schumacher noch Walter Röhrl ihr das so schnell nachgemacht hätten. Kommt gar nicht infrage, dass Thürmann sich einfach umbringt, ohne vorher eine ordentliche Aussage abgeliefert zu haben, dachte
Weitere Kostenlose Bücher