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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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sie und stürmte, zwei Stufen auf einmal nehmend, hinauf in die dritte Etage.
    Mary Devananda wirkte ausgesprochen aufgelöst. »Gott sei Dank, Frau Kommissarin! Ich dachte mir, wenn jemand Marc zur Vernunft bringen kann, dann Sie. Sie haben so eine beruhigende Aura. Man spürt einfach, dass Sie jeder Lage gewachsen sind.«
    »Danke«, sagte Susanne etwas außer Atem. »Das kommt vom Nikotin.« Sie deutete auf Thürmanns Bürotür. »Wie lange ist er schon da drin?«
    »Eine knappe Stunde. Er fürchtet die Dunkelheit, wissen Sie?«
    »Der Jaguar?«, fragte Susanne.
    Mary nickte.
    »Was wissen Sie darüber?«
    »Nicht sehr viel. Ich bin Marc in diesem Leben erst vor gut einem Jahr begegnet. Ich habe eines seiner Schädelseminare besucht und gespürt, dass uns eine tiefe Seelenverwandtschaft verbindet. Ich glaube, wir kennen uns schon seit vielen Inkarnationen ...«
    Susanne zündete sich eine Zigarette an. »Aber in dieser jetzigen Inkarnation haben Sie keine Ahnung, was er in Belize getrieben hat, zusammen mit seinen Gesellschaftern Bishop und Eberhard, und von einem gewissen Arne Felten haben Sie wohl auch noch nie gehört?«
    Mary Devananda kämpfte mit den Tränen. »Er hat darüber nie viel gesprochen. Eigentlich haben wir uns immer nur über spirituelle Dinge unterhalten und über dieses wunderbare Projekt ...«
    »Das Pyramiden-Hotel?«
    »Ja.«
    »Und wieso wissen Sie dann von dem Jaguar?«
    Mit ihren großen, verwirrten Augen erinnerte Mary an ein furchtsames Kaninchen. »Davon hat er mir erst heute erzählt. Er sagte: Ich habe etwas sehr Schlimmes getan, vor langer Zeit. Und jetzt schickt das Karma mir die gerechte Strafe. Balam . Der Jaguar hat die Eberhards getötet und er wird auch mich töten und Roger Bishop. Wenn es Nacht wird. Aber ich will nicht tatenlos auf die Dunkelheit warten. Ich werde ihm zuvorkommen.«
    Mary fasste Susanne flehend am Ärmel. »Bitte sprechen Sie mit ihm! Eine Zeit lang habe ich ihn leise mit sich selbst reden hören. Aber jetzt ist es so still da drin ...«
    »Hat er eine Waffe?«
    »Es gibt all diese Lanzen und Speere und Messer in seinem Büro.«
    Susanne horchte an der Tür. Stille. Hatte er es schon getan? »Herr Thürmann«, sagte sie sanft und freundlich mit routinierter Anti-Selbstmord-Stimme. Nach fünfzehn Jahren Polizeidienst gehörte diese Stimme bei ihr zum festen Repertoire. »Hier ist Susanne Wendland. Erinnern Sie sich? Die Kommissarin, die sich bei Ihnen fachlichen Rat geholt hat.« Mist, dass ich den Kristall von Feltens Balkon nicht dabeihabe, dachte sie. Vielleicht hätte der ihn neugierig gemacht.
    »Gehen Sie! Ich will niemanden sehen!«
    Immerhin lebte er noch. Susanne drückte behutsam die Klinke herunter. Natürlich war die Tür abgeschlossen. »Wollen Sie mir nicht erzählen, wovor Sie solche Angst haben?«
    »Das wissen Sie doch, Sie sind doch nicht auf den Kopf gefallen.«
    Sie schaute auf die Uhr. Kurz nach fünf am Nachmittag. Bis zum Einbruch der Dunkelheit blieben noch etliche Stunden. »Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten und mir sagen, was Sie wissen, werden wir für Ihre Sicherheit garantieren.« Das war eine dieser Phrasen, die ebenfalls aus dem Routine-Repertoire stammte, und Susanne ärgerte sich sofort, als sie sie ausgesprochen hatte.
    »So?«, entgegnete Thürmann dann auch prompt, »Und wie, wenn ich fragen darf? Glauben Sie, die Eberhards hatten nicht alle Türen und Fenster verrammelt? Glauben Sie, Felten hatte nicht seine Bürotür zugesperrt?«
    Das stimmte natürlich. Wie sollte die Polizei ihn schützen, und wo? Ein schmerzhaftes Gefühl des Schreckens drückte Susanne auf den Magen, ließ ihn ganz klein und eng werden. »Warum öffnen Sie nicht einfach die Tür? Ich komme zu Ihnen und wir reden.«
    »Nein, verdammt! Hören Sie gut zu: Ich halte einen Jagdspeer der Balam-Leute in den Händen. Die Spitze ist auf mein Herz gerichtet. Ich überlege noch, ob ich jetzt gleich zustoßen oder noch etwas warten soll. Wenn Sie nicht auf der Stelle verschwinden, stoße ich sofort zu! JETZT! Haben Sie verstanden?«
    »Oh, mein Gott, mein Gott!«, wimmerte Mary Devananda.
    Susanne unterdrückte einen Fluch. Sie schob Mary von der Tür weg und zischte: »Gibt es noch eine andere Möglichkeit auf den Balkon zu kommen?«
    Mary blickte vollkommen ratlos drein. Ihre Zeit bei den indischen Gurus hatte eindeutig nicht zu einer asiatisch gelassenen Haltung gegenüber dem alltäglichen Leben und Sterben geführt. »Nein ... nein ... da müssen Sie schon

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