Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
meinen Ohren. Eine Schamwelle von Tsunamiausmaßen überspült mich. Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade gesagt habe. Und wie ich es gesagt habe.
Oh Gott. Sandra Heller, wo hast du nur deinen analytischen Verstand gelassen? Da hast du so große Schicksalsschläge wie eine Krebserkrankung und Joe Meidner hervorragend gemeistert – und jetzt drehst du urplötzlich durch, bloß weil du keinen Job hast und weil Thomas dich nicht so oft vögelt, wie du es gerne hättest? Du hattest doch nun wirklich jahrelang Zeit, dich da dran zu gewöhnen!, schimpft mein Staatsanwalt.
Außerdem ist der arme Kerl bestimmt nur hoffnungslos überarbeitet, setzt er in bedeutend milderem Tonfall hinzu. Um dann gleich weiterzuschimpfen: Und du hast nichts anderes zu tun, als ihn und seinen armen Kollegen lautstark im Tuntenclub zu verorten. Eins sage ich dir, davon wird sich seine Erektionsfrequenz bestimmt nicht verbessern!
Kopfschüttelnd wendet sich der Herr Staatsanwalt von mir ab und geht. Denk über dein Verhalten nach!, ruft er mir noch zu, kurz bevor er in der Menschenmenge in der Fußgängerzone verschwindet.
Das mache ich mit Sicherheit nicht. Sonst müsste ich mir gleich die Kugel geben. Oder wenigstens auf der Stelle nach Australien auswandern.
Wieder überspült mich eine rote Welle. Schnell, Ablenkung muss her, bevor mich Schuldgefühle packen wie Raubvögel ein armes Kaninchen. Entschlossen stapfe ich Richtung Saturn. Ein sofortiger iPod-Kauf wird mich hoffentlich auf andere Gedanken bringen.
Unabhängig davon sollte ich vielleicht doch eine Therapie in Erwägung ziehen.
v v v
Ein paar Hundert Meter vor Saturn gibt es neuerdings einen großen, schicken Friseursalon. Diesem Friseursalon habe ich es zu verdanken, dass aus meinem bis dahin recht miesen Tag endgültig ein richtig beschissener Tag wurde.
Denn in Gedanken an Martinas Haarwunder bin ich einfach reinmarschiert. Als ob meine Spontaneität heute nicht schon genug Unheil angerichtet hätte.
Während eine junge Friseurin mit schwarz gefärbtem Zottelschnitt meine ersten Strähnen in Alufolie verpackte, klingelte mein Handy. Meine Mutter. Ich wollte sie mit einem kosmopolitischen »Du, ist gerade ungünstig – ich sitz beim Friseur und lass mir Strähnchen machen!« kurz und schmerzlos abwimmeln. Leider funktionieren derartige Manöver bei ihr grundsätzlich nicht.
»Ach wirklich, bei welchem bist du denn? Ich will ja unbedingt wechseln; der Mario hat meine Haare einfach nicht mehr im Griff. Neulich sein Schnitt, das war eine absolute Katastrophe!«
Der arme Mario, wahrscheinlich hat meine Mutter ihn so heftig beschimpft, dass er inzwischen zurückgegangen ist nach Italien und frustriert eine Gelateria eröffnet hat.
»Also ich sitz hier in diesem neu eröffneten Laden in der Herzogspitalstraße …«
»Doch nicht etwa in dem Salon mit den grünen Styroporköpfen im Fenster?«
Ich drehte mich herum. Tatsache. Grüne Styroporköpfe. Sehr stylish.
»Woher weißt du …«
»Tu’s NICHT !«, brüllte meine Mutter so laut durch das Handy, dass der Friseurin vor Schreck der Pinsel aus der Hand fiel.
»Da war gestern eine gute Freundin von mir drin. Sie hat mich hinterher heulend angerufen und gesagt, dass sie jetzt aussieht wie ein Zebrastreifen. Sandra, steh auf und geh, bevor es zu spät ist!«
Sandra Heller, die Frau, die weiß, was sie will, ist natürlich sitzen geblieben. Lieber verunstaltet als unhöflich.
Verlegen würgte ich meine Mutter ab, verfolgte bangen Blickes die weiteren Handgriffe der Friseurin und fügte mich in mein Schicksal.
Blockstreifen.
Schreckensbleich starrte ich wenig später mein Spiegelbild an. Aus der Traum von den goldenen Lichtreflexen. »Mei, sind die schön geworden«, jubelte die Friseurin. Offenbar ein echter Profi.
Ich für mein Teil war sprachlos. Mit letzter Kraft zahlte ich (und gab sogar Trinkgeld – wie blöd kann man sein?), setzte meine Sonnenbrille auf, zog die Kapuze meiner Winterjacke tief ins Gesicht, schlich quasi inkognito zu Saturn, um endlich diesen blöden iPod zu erwerben, und fuhr gänzlich frustriert nach Hause.
Den Rest des Nachmittags habe ich damit verbracht, den iTunes Store leer zu kaufen. Wie in Trance lud ich mir einen Lieblingssong nach dem anderen runter. Mein erster Online-Kaufrausch überhaupt! Und bei den paar Cent pro Titel kann man sich da ja wirklich stundenlang vergnügen.
Obwohl. Von Vergnügen kann eigentlich keine Rede sein. Erst musste ich Belmondo mühsam davon
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