Wenn das Herz heimkehrt: Mittsommerträume (German Edition)
war.
Augenblicklich fing ihr Herz an zu pochen. Warum hatte Cynthia Hallström sich die Mühe gemacht, Briefe an ihre Tochter zu verfassen, ohne sie jemals abzuschicken?
Noch einmal atmete Katrina tief durch, dann öffnete sie den ersten der Briefe. Er war ein paar Tage nach ihrem überstürzten Aufbruch aus Kronsfjället verfasst worden und schilderte, wie traurig ihre Mutter über den Streit zwischen ihrem Mann und ihrer Tochter gewesen war. Aber es klang auch Hoffnung mit, dass schon bald alles wieder gut werden würde. Sie wollte mit ihrem Mann sprechen und ihn dazu bringen, sich mit Katrina zu versöhnen. Den Brief hatte sie mit “In ewiger Liebe, Deine Mutter” unterzeichnet.
Karina schluckte. Ihre Augen waren feucht, doch sie drängte die Tränen zurück und öffnete nacheinander den zweiten, dritten und vierten Brief. Mit jeder Zeile, die sie las, wurde ihr das Herz schwerer. Es überraschte sie nicht allzu sehr, zu erfahren, dass ihre Mutter sie sehr vermisst hatte. Dass aber auch ihr Vater, der stets so ernste und strenge Kristof Hallström, ihre Abreise nur schwer verkraften konnte, war neu für sie.
Der Mann, der für sie immer wie ein Fels in der Brandung gewesen war – stark und unerschütterlich –, hatte offenbar schwer unter der Trennung von seiner Tochter gelitten. Und trotzdem hatte er es bis zum Schluss nicht über sich gebracht, dies offen zuzugeben.
Und dann las sie den letzten Brief, den ihre Mutter ein paar Tage vor dem tragischen Autounfall verfasst hatte, bei dem sie und ihr Mann ums Leben gekommen waren.
Meine liebe Tochter!
Fünf Jahre bist Du nun schon fort, und mit jedem Tag wird die Sehnsucht größer, Dich endlich wieder in die Arme zu schließen. Auch Dein Vater vermisst Dich mehr, als er in Worte zu fassen vermag. Ich wünschte wirklich, er würde über seinen eigenen Schatten springen und sich mit Dir aussprechen. Aber Du kennst ihn ja: Nur allzu oft steht ihm sein eigener Stolz im Wege.
Ob Du es glaubst oder nicht, aber auch er hat längst begriffen, warum Du keinen anderen Ausweg gesehen hast, als von zu Hause fortzulaufen. Du fühltest Dich von uns eingeengt, in Deiner Freiheit beschnitten. Aber bitte glaube mir, mein Kind, wenn ich Dir sage, dass wir es stets nur gut mit Dir meinten. Vielleicht haben wir einfach nicht den richtigen Weg gewählt, Dir unsere Liebe zu zeigen.
Indem Dein Vater und ich versuchten, alle Probleme und Schwierigkeiten von Dir fernzuhalten, haben wir uns, wie ich fürchte, nur noch weiter von Dir entfernt. Hätten wir Dir von Anfang an die Wahrheit gesagt, wäre es Dir sicher leichter gefallen, unsere Beweggründe nachzuvollziehen. So dachtest Du, wir, Deine Eltern, wollten Dir alles verbieten. Dir die Luft zum Atmen nehmen.
Wie dumm wir doch waren!
Doch wir merkten erst viel zu spät, welch großen Fehler wir begingen, Dich vor Sorgen und Nöten beschützen zu wollen. Wie solltest Du auch ahnen, dass es uns schier das Herz brach, Dir nicht alles bieten zu können, was Du Dir gewünscht hast? Über die finanziellen Probleme, in denen Dein Vater und ich damals steckten, haben wir schließlich nie mit Dir gesprochen …
Katrina hielt inne und ließ den Brief in ihren Schoß sinken. Tränen strömten ihr über die Wangen. Tränen, die sie sich all die Jahre verboten hatte.
All die Jahre voller Groll und Verbitterung – vollkommen umsonst. Wenn es stimmte, was ihre Mutter in ihrem Brief geschrieben hatte, dann war nicht mangelndes Vertrauen der Grund dafür gewesen, dass ihre Eltern ihr das Auslandsjahr in den USA oder das Studium in England verboten hatten.
Finanzielle Probleme im Hause Hallström? Katrina war fassungslos. Warum hatte sie davon nichts bemerkt?
Wahrscheinlich, weil ihre Eltern sich die größte Mühe gegeben hatten, es vor ihr zu verbergen. Und Katrina musste sich, wenn sie ehrlich zu sich selbst sein wollte, eingestehen, dass sie selbst sich auch nie dafür interessiert hatte.
Traurig schüttelte sie den Kopf. Was würde sie jetzt dafür geben, noch einmal mit ihren Eltern sprechen zu können. Sie noch ein einziges Mal in ihre Arme zu schließen und sich stumm bei ihnen für ihr egoistisches Verhalten zu entschuldigen.
Doch Cynthia und Kristof Hallström waren gestorben, ohne dass Katrina die Gelegenheit gehabt hatte, sich mit ihnen zu versöhnen.
“Katrina? Bist du hier oben?” Rasch wischte Katrina sich die Tränen von den Wangen, als sie Editha die Treppe hinaufsteigen hörte. “Es ist Besuch für dich
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