Wenn das Herz im Kopf schlägt
Rückbüffet. Nur die Lampen über den Tischen der Gaststube werfen noch seichtes Licht.
Böhm und van Oss setzen sich zu Steeg. Jeder an einem Ende des langen Tisches. Joop legt ein Diktiergerät auf den Tisch.
»Mijnheer Mahler, Mevrouw Holter, wir nehmen dieses Gespräch auf.« Er spricht Ort, Uhrzeit und Anwesende auf das Band.
Mahler dreht sich auf seinem Hocker herum. »Was soll das? Was wollen Sie noch von uns? Haben Sie dieses Schwein endlich oder immer noch nicht?« Er sieht Böhm mit glasigen Augen an, hält sich am Thekenbrett fest und steigt von seinem Hocker. »Ich weiß Bescheid, verstehen Sie!« Er zieht einen Stuhl zurück und setzt sich mit gut einem Meter Abstand zum Tisch. »Die Lena war doch da. Die muss den doch gesehen haben.«
Er beugt sich drohend vor. Sein Jackett spannt über den Oberarmen.
Böhm, Steeg und van Oss schweigen.
Mahler ist nicht nüchtern. Mahler ist redselig. »Euch bezahlen wir mit unseren Steuergeldern, und was tut ihr? Ihr wartet ab, belästigt lieber unbescholtene Bürger.«
Ruth Holter steht immer noch am Sicherungskasten. »Hör auf, Günter!« Sie sieht Böhm an. »Was ist mit dem Kind? Wie geht es Lena?«
Böhm dreht sich zur Seite und sieht sie böse an. »Wir haben sie ins Präsidium gebracht.« Das ist die Wahrheit! Nicht die ganze Wahrheit, aber auf keinen Fall eine Lüge! »Ich will jetzt endlich wissen, was damals wirklich passiert ist, als Magdalena Behrens ums Leben kam.« Er nimmt seine Brille ab, legt sie auf den schweren Holztisch und reibt sich die Augen. »Wir können diesen Fall nicht endgültig klären, wenn Sie nicht reden.« Ein Stückchen Wahrheit. Keine Lüge.
Ruth Holter kommt zu ihnen herüber. Sie stellt sich an den Tisch und stützt sich mit beiden Hände auf die Lehne eines freien Stuhls.
»Ich kenne nicht die ganze Geschichte.« Sie zieht den Stuhl zurück und setzt sich.
Mahler schüttelt abwesend den Kopf. »Dummes Weib!«
»Halten Sie den Mund.« Steeg schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch.
Mahler hebt den hochroten Kopf und sieht ihn ungläubig an.
»Es gab Streit, wie so oft. Behrens war ziemlich betrunken. Lüders stand an der Theke und rief ihm zu: ›Johann, deine Magdalena hat wirklich einen schönen Hintern. Den hat sie mir heute gezeigt. Aber ich hatte leider zu tun.‹ « Sie spricht leise, flüstert. So alte Wahrheiten kann sie nur ganz leise erzählen, wie man die Seiten eines alten Buches nur vorsichtig umdrehen darf, sonst zerfallen sie zu Staub und sind unwiderbringlich verloren. »Alle haben gelacht. Gietmann hat gesagt: ›Der Johann hat den größten Hof und lässt sich die größten Hörner aufsetzen.‹ Und wieder haben alle gegrölt.« Sie legt ihre kleinen, abgearbeiteten Hände auf den Tisch und flicht die Finger ineinander. »Johann ist aufgesprungen und rausgerannt. Er ist wie ein Wahnsinniger vom Hof gefahren.« Sie räuspert sich. »Dann war es hier plötzlich still.« Sie sieht Böhm direkt an. »Da haben sie wohl gemerkt, dass sie zu weit gegangen sind.«
Er nickt ihr freundlich zu.
»Sie haben sich dann alle hier an diesen Tisch gesetzt. Was gesprochen wurde, habe ich nicht verstanden, aber nach etwa einer halben Stunde sind Gietmann, Lüders, Jansen und Mahler los. ›Mal nach der gnädigen Frau sehen‹, hat Gietmann gesagt.« Sie hebt hilflos die Schultern. »Die Zeit weiß ich nicht mehr, aber ich denke, es war gut eine Stunde vergangen, als sie wiederkamen. Sie sagten, Magdalena Behrens sei tot. Sie hätten sie tot vorgefunden. Sie wollten keine Unannehmlichkeiten und darum auch keine Polizei rufen.« Wieder sieht sie Böhm an. Was jetzt zu sagen ist, fällt ihr am schwersten. »Dann sagte Lüders: ›Wenn die Polizei morgen Fragen stellt, sagen wir, dass wir alle bis Mitternacht gekegelt haben.‹ « Sie schluckt. »Ich habe gefragt: ›Wenn ihr sie tot gefunden habt, warum können wir dann nicht die Polizei rufen? Warum sollen wir denn lügen?‹ « Sie zieht die Hände vom Tisch. Sie fallen kraftlos in ihren Schoß. »Gietmann hat gedroht: ›Wenn du quatschst, suchen wir uns ein anderes Lokal zum Kegeln und Trinken. Dann kannst du aber bald zumachen!‹ « Wieder sieht sie Böhm direkt an. Ihre Augen bitten um Absolution. »Was hätte ich denn tun sollen? Dass sie noch gelebt hat, dass sie erst am nächsten Morgen gestorben ist, habe ich doch erst gestern erfahren.«
Steeg hat sich zurückgelehnt und zugehört. Jetzt beugt er sich vor. Seine Stimme hat diesen sarkastischen
Weitere Kostenlose Bücher