Wenn das Herz im Kopf schlägt
Unterton, den Böhm nicht mag. Dieser Ton, der sich in die Wunde bohrt, wie Nägel in weiches Holz. »Sie wissen genau, was Sie hätten tun sollen, Frau Holter. Oder welche Antwort erwarten Sie von uns?«
Sie zuckt zusammen, bleibt einige Sekunden ganz still. Dann schiebt sie ihren Stuhl zurück und sieht Steeg an. »Ich habe jedenfalls alles gesagt, was ich weiß. Sie haben ja keine Ahnung, wie das damals war«, versucht sie eine schwache Rechtfertigung.
Steeg dreht die Augen nach oben. »Ist schon klar.«
Mahler hat die ganze Zeit ruhig dagesessen und vor sich hingestarrt. Auch jetzt sitzt er bewegungslos, als wolle er verhindern, dass man auf ihn aufmerksam wird.
Böhm zieht seine Brille wieder auf. »Herr Mahler, was hat sich auf dem Behrenshof zugetragen?«
Mahler schiebt die Unterlippe vor und schüttelt den Kopf. »Ich war nicht drin, verstehen Sie? Ich habe im Auto gewartet. Und alles andere müssen Sie mir beweisen, verstehen Sie? Beweisen! Und da reicht nicht die Aussage von dieser durchgeknallten Behrens, das sage ich Ihnen gleich.«
Böhm wechselt einen kurzen Blick mit Steeg und van Oss. »Wie kommen Sie auf Anna Behrens?«
Mahler zieht die Stirn in Falten und schweigt.
»Herr Mahler, ich habe Sie was gefragt!« Seine Stimme wird laut. »Sind Sie sich darüber im Klaren, dass von den vier Männern, die damals dabei waren, nur noch Sie leben? Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet?« Eine wahre Feststellung und eine Frage. Keine Lüge!
»Ich habe sie angerufen, na und?«
»Warum haben Sie sie angerufen?«
Mahler blafft los. »Wegen der Wiesen, verdammt noch mal! Ich wollte sie kaufen!«
Böhm ist plötzlich hellwach. Er wechselt einen kurzen Blick mit Steeg und van Oss, der besagt: Jetzt nicht unterbrechen! Lasst ihn reden! »Welche Wiesen, Herr Mahler? Wozu braucht ein Tischler Wiesen?«
»Die Wiesen um den Kotten herum. Das ist Bauland, verstehen Sie?« Er stößt überheblich Luft zwischen den Lippen hervor. »Ruth hat Recht! Ihr habt wirklich keine Ahnung!« Er zieht seinen Stuhl vor und beugt sich über den Tisch. »Johann war ein eingebildeter, arroganter Großbauer, darum geht es hier! Gietmann war im Stadtrat, und als es darum ging, Bauland freizugeben, hat er einen Antrag gestellt. Für uns, verstehen Sie? Für unser Dorf. Damals war das mit dem Naturschutz und diesem ganzen Blödsinn noch nicht so. Trotzdem wurden nur zwei Flächen genehmigt. Im Süden die Gietmannfelder und im Westen die Wiesen vom Behrenshof. Und was macht dieser großkotzige Behrens?« Er lacht höhnisch auf. »Der wollte Einspruch einlegen, verstehen Sie? Sein Hof nicht, hat er gesagt. Große Reden hat der geschwungen. Jahrhundertealte Familientradition. Besitz, den er nie verkaufen würde und dieser ganze Scheiß. Dabei war der stinkfaul. Nur die Frauen haben da gearbeitet, und es war absehbar, dass er über kurz oder lang hätte verkaufen müssen. Aber der gnädige Herr Behrens, der sich eine gebildete Dame aus Ostpreußen als Frau leisten konnte, hatte nun mal mehr Stolz als Verstand. Andere Dörfer hatten sich auch um dieses Bauland beworben, und wenn der mit seiner Eingabe durchgekommen wäre, hätten die uns alles gestrichen, verstehen Sie? Auch die Felder von Gietmann wären dann Felder geblieben.« Mahler schnappt nach Luft. Blanker Hass liegt in seinen Augen. Über all die Jahre ruhig gestellter Hass spritzt hervor, wie züngelnde Hitze. Hitze, die ohne eine einzige Flamme alles niederbrennt. Er leckt sich über die Lippen. »Jetzt ist es eh egal. Ich habe nichts gemacht. Mir könnt ihr gar nichts!« Er dreht sich zu Ruth Holter, die bewegungslos neben ihm sitzt und ihn anstarrt. »Hol mir noch einen Korn, Ruth.«
Sie nickt geistesabwesend und steht auf.
»Auf so einem Dorf hat man als Tischler nicht viele Aufträge. Die Bauern machen das meiste selber. Auch für mich war da einiges drin, verstehen Sie?«
Ruth Holter kommt mit einem Schnaps und einem gut gefüllten Cognacglas zum Tisch zurück.
Mahler nimmt ihr den Korn aus der Hand. »An dem Abend hat Gietmann auf der Kegelbahn noch mal versucht, mit ihm zu reden, aber es hatte keinen Zweck. Lüders bot Behrens einen Tausch an. Seine gesamten Felder gegen die Wiesen. Dann wäre der Behrenshof größer als vorher gewesen! Aber Johann lachte ihn aus.«
Joop runzelt die Stirn. »Maar ... wat hat Lüders davon?« Er hat es bereits ausgesprochen, als er begreift, dass er Böhms Anweisung missachtet hat. Kleinlaut sieht er ihn an. »Ik begrijp
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