Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
Nein, unsere Bedingungen stehen klipp und klar fest. Goodlet und La Beale Isoud im Austausch gegen meinen Herren und die beiden Exzellenzen. Sonst …«
    »Sonst, was?«
    »Sonst werden Ihre Schwester und Ihr Freund schon bald nicht einmal mehr angenehme Erinnerun-393
    gen für Sie sein, weil sie niemals existiert haben werden. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Völlig, mein lieber Freund«, antwortete Blondel gelassen. »Das bedeutet, daß wir wieder genau an dem Punkt angelangt sind, wo wir angefangen haben.«
    »Nicht ganz«, widersprach Mountjoy. »Wenn wir wieder an dem Punkt angelangt wären, wo wir angefangen haben, dann wäre das alles nicht nötig.«
    »Wie bitte?«
    »Ich habe gesagt, wenn wir wieder an dem Punkt angelangt wären, wo wir angefangen haben, dann wäre nichts …«
    »Nein, da irren Sie sich, Mountjoy«, unterbrach ihn Blondel. »Wenn Sie wieder an dem Punkt angelangt wären, an dem Sie angefangen haben, dann wäre ich nicht hier. Wir wären dann alle in der Zukunft.«
    »Darum geht’s doch nicht«, widersprach Mountjoy.
    »Wenn wir wieder an dem Punkt angelangt wären, wo wir angefangen haben, dann wären Sie zwar nicht hier, aber wir wären hier.«
    Blondel schüttelte den Kopf. »Aber in dem Fall wären wir dann nicht wir, sondern wir wären Sie.«
    »Das habe ich doch gerade gesagt.«
    »Nein, Sie haben gesagt …«
    »Moment mal«, mischte sich Clarenceaux unverhofft ein. »Ich glaube, ich weiß, was daran falsch ist.
    Mountjoy sieht den Verlauf der Ereignisse so, wie sie in der Normalzeit passieren würden, während Mister Blondel die ganze Geschichte aus der Überzeit-394
    Perspektive betrachtet, was logischerweise dazu führt, daß er …«
    Clarenceaux hielt inne. Er hatte dieses schreckliche Gefühl, daß ihn die ganze Welt anstarrte.
    »Entschuldigung«, fügte er verlegen hinzu und starb vor Schamgefühl.
    »Jedenfalls gehe ich davon aus, daß wir uns einig sind. Hand drauf?«
    »Nein, danke.«
    »Wie Sie wollen.« Blondel trat unter dem Baum hervor und spannte den Schirm auf. »Also sehen wir uns diese Woche hier wieder, selbe Zeit, selber Ort, in Ordnung?«
    »Einverstanden.«
    »Dann auf Wiedersehen«, verabschiedete sich Blondel und ging über die Brücke davon.
    Etwa eine halbe Stunde später traf ein stark verbeulter roter Kleintransporter ein, las die sterblichen Überreste von Clarenceaux auf und brachte sie ins Depot zurück. Wegen des akuten Mangels an Schamgefühlneuronen im Zentrallager mußten die Schaltkreise abgetrennt und als Ausgleich das Schuldgefühlzentrum doppelt belastet werden; das hatte zur Folge, daß Clarenceaux in den sechs Wochen bis zu seinem nächsten Tod – wo man endlich die Möglichkeit hatte, ihn völlig auseinanderzuneh-men und die Reparatur anständig zu erledigen – in gemischter Gesellschaft zum Rülpsen neigte und sich deswegen noch tagelang danach Vorwürfe machte.
    395
    Blondel lenkte den Pferdewagen. Das war nicht einfach, da der Einspänner etwa fünfzehn Zentimeter breiter war als der Tunnel, und nur aufgrund der merkwürdigen Verzerrungen, die durch die zeitlichen Anomali-en im Zeitfeld hervorgerufen wurden, war er überhaupt in der Lage, mit dem verdammten Ding hindurchzu-kommen. Das wichtigste war, seinem anderen Selbst, das ihm aus der anderen Richtung entgegenkommen könnte, unter keinen Umständen zu begegnen.
    »Alle festhalten!« rief er. »Da vorne kommt unsere Abzweigung.«
    Giovanni blickte auf und erkannte einen niedrigen und sehr schmalen Durchgang von der Größe eines Kohlenschachts, über dem ein Schild hing, auf dem in einem roten Kreis mit einer Diagonale ein Pferdewagen auf weißem Feld gemalt war. Obwohl er sich an solche Geschichten längst gewöhnt hatte, schloß er die Augen und duckte sich.
    Als sie endlich die Brücke erreichten, war es bereits dunkel, und selbstverständlich regnete es.
    Unter einem Baum am Straßenrand auf der anderen Seite des Ufers beobachtete Blondel Mountjoy, Clarenceaux und natürlich sich selbst dabei, wie sie gerade die Modalitäten der Geiselübergabe festleg-ten. Wenigstens gab es jetzt glaubwürdige Zeugen, falls es im nachhinein irgendwelche Streitigkeiten bezüglich der Austauschbedingungen geben sollte.
    Er sprach zu dem Pferd ein paar beruhigende Worte, zog sich die Kapuze über das Gesicht und fragte Marco, ob die Laternen bereitstünden.
    396
    Auf beiden Seiten der Brücke warteten nun zwei Pferdewagen im strömenden Regen. Eine Weile geschah nichts. Dann leuchtete

Weitere Kostenlose Bücher