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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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er nicht sprechen kann.«
    Die Neugier des Chefwächters siegte schließlich über seine Vernunft. »Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
    »Aus Angst, daß er sich selbst widersprechen könnte«, antwortete der halbe Mann. »Da er in beiden Eigenschaften ex cathedra spricht, könnte das in Anbetracht der Unfehlbarkeit des Heiligen Vaters äußerst unangenehme Folgen haben. Deshalb teilt er sich mir ausschließlich durch Zeichensprache mit, die sich nicht als Ausdrucksmittel unfehlbarer Aussagen eignet, und ich werde Ihnen dann seine Ansichten darlegen. Da Sie meinen Anblick verständlicherweise nicht ertragen können, müssen Sie mir vertrauen, daß ich die Gesten der beiden Päpste richtig interpretiere. Sind Sie damit einverstanden?«
    »Selbstverständlich«, stimmte der Chefwächter zu.
    »Sehr schön«, freute sich der halbe Mann. »Da es sich hierbei um ein Gerichtsverfahren handelt, ist ein Schreiber anwesend, der alles für die Prozeßunterla-229
    gen protokollieren wird. Haben Sie irgendwelche Einwände?«
    »Nein, keinerlei Einwände.«
    Der halbe Mann nickte Pursuivant zu, der am Tischende saß. Pursuivant spitzte den Bleistift, öffnete sein Notizbuch und hielt schon einmal das Datum schriftlich fest. Er schrieb es falsch.
    »Gut, dann können wir ja anfangen«, stellte der halbe Mann fest. »Sie sind also John Athanasius, Chefzeitwächter der Firma ›Rund um die Sanduhr‹, Newland Road, Bleak City, Atlantis. Sind diese Angaben richtig?«
    »Ja«, bestätigte John Athanasius.
    »John Athanasius, Ihnen wird … Verdammt, ich kann meine eigene Schrift nicht mehr lesen. Was soll das heißen, Julius? Ach ja? Danke. Also, Ihnen wird vorgeworfen, gegen die chronologische Ordnung verstoßen zu haben, indem Sie unautorisierten Personen wissentlich und zum persönlichen Nutzen den Zugang zu einem der Zeitarchive gewährt haben, was ein Verstoß gegen die Paragraphen drei und siebenundsechzig besagter Ordnung ist. Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig?«
    »Schuldig«, antwortete Athanasius gefaßt.
    »Ach, wirklich?« staunte der halbe Mann. »Welch unerwartetes Geständnis. Sie müssen nämlich wissen, daß wir weder Mühen noch Kosten gescheut haben, um Sie zu überführen. Ich habe draußen einen ganzen Flur voll Zeugen antreten lassen, die allesamt vorübergehend ans Tageslicht zurückgeholt wurden, 230
    nur um zu bestätigen, daß Sie dort unten von ihnen gesehen worden sind.
    Sind Sie sich wirklich sicher, daß Sie sich weiterhin schuldig bekennen wollen?«
    »Ja.«
    Der halbe Mann zuckte die Achseln – was mit einer Schulter gar nicht so einfach ist – und suchte in seiner Aktentasche nach dem halben schwarzen Barett.
    »Haben Sie noch irgend etwas – wo ist bloß diese Scheißmütze? – zu Ihrer Verteidigung vorzubringen, bevor das Urteil verkündet wird, Angeklagter?«
    »Nein.«
    »Aha, ich verstehe. Sind Sie sich ganz sicher?«
    »Ja, Sir.«
    »Wie Sie wollen. Wie herum muß man das Ding eigentlich tragen? Sie können sich natürlich darauf verlassen, daß ich das Barett aufgesetzt habe. Es ist auch besser, wenn Sie nicht hersehen, weil Sie sonst in das allgemeine Gekicher einstimmen würden, was eine Mißachtung des Gerichts wäre, und wie sich die Lage darstellt, stecken Sie schon tief genug in der Tinte. John Athanasius, Sie werden für schuldig befunden, das eilige Verstauen – zum Henker, das heilige Vertrauen steht da natürlich! –, das in Sie gesetzt worden ist, auf unverzeihliche Weise gebrochen zu haben. Ruhe jetzt! Wenn das so witzig ist, kann ja mal jemand anders versuchen, das Ganze mit einem Auge abzulesen! Mit großer Geduld habe ich mir Ih-re Bitte um mildernde Umstände angehört … Nein, 231
    streichen Sie das. Schade drum. Sie haben keinerlei Versuche unternommen, für die Verbrechen straf-mildernde Umstände geltend zu machen, und ich bin deshalb verpflichtet, Sie zur ewigen Ablage im Hauptarchiv zu verurteilen. Haben Sie jetzt noch irgend etwas dazu zu sagen, warum eine solche Strafe gegen Sie nicht verhängt werden sollte?«
    »Nein, Sir.«
    »Haben Sie wirklich nichts zu sagen? Nicht einmal: Ich glaub, mich hat’s erwischt, Boß? Na ja, irgend so etwas in der Richtung jedenfalls. Überhaupt nichts?«
    »Nein, Sir.«
    Der halbe Mann seufzte. »Also gut, demnach stellt sich dieser Abend für uns alle als eine einzige riesige Pleite dar. Wäre uns nämlich von vornherein klarge-wesen, daß die Verhängung eines Versäumnisurteils ausgereicht hätte, hätte

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