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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hudson
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und ich blickte auf mein angewinkeltes Bein hinunter – in dem erfolglosen Versuch, meine freudige Verlegenheit zu verbergen.
    » Aber«, fuhr er fort, » es ist ihr echt wichtig … sich immer irgendwie anzupassen.«
    » Dir aber nicht?«
    Ich musste es einfach fragen. Joshua wirkte nicht gekränkt, sondern lachte nur.
    » Nö, mir nicht. Das Ironische ist, dass ich nie groß auffalle. Aber innerhalb eines vernünftigen Rahmens mache ich, was ich will, ohne mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was andere Leute denken.«
    » Wie dich mit einem toten, unsichtbaren Mädchen unterhalten?«
    » Genau.« Joshua grinste, doch dann zuckte sein Mundwinkel nachdenklich. » Weißt du, das hier könnte tatsächlich etwas mit Ruth zu tun haben.«
    » Hä?«
    » Mit meiner Grandma, Ruth. Sie ist diejenige, die mir in meiner Kindheit Geistergeschichten über die Brücke erzählt hat. Sie betreibt diesen ganzen Mit-den-Geistern-kommunizieren-Kram … sie und eine Gruppe alter Damen aus der Gegend.«
    Ich stockte. » Was, wie ein Hexenzirkel?«
    Joshua biss sich auf die Unterlippe. Offensichtlich war es ihm bisher nicht wirklich relevant vorgekommen, dass er eine geisterbesessene Großmutter hatte. Er erwog den Gedanken einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf, wenn auch ein wenig unschlüssig.
    » Ich glaube nicht«, sagte er. » Ich weiß allerdings, dass sie an viele unglaubliche Dinge glauben. Ich habe das Ganze eigentlich immer für Humbug gehalten …«
    Joshua musterte mich, und ich neigte wieder den Kopf. Ich verstand seinen Blick nur zu gut: Ich war eines dieser unglaublichen Dinge.
    Bebend fragte ich: » Glaubst du, sie hätte ein Problem mit mir? Mit meiner Existenz?«
    Joshua schüttelte erneut den Kopf, wobei er ein wenig zuversichtlicher aussah. » Auf keinen Fall. Obwohl Ruth an Geister glaubt, ist es ja nicht so, als könne sie sie sehen. Wahrscheinlich wäre sie, wenn ich ihr von dir erzählen würde, bloß erfreut, dass ich die Richtigkeit all ihrer Theorien bewiesen habe.«
    Mein Lachen wurde schriller, was die Beklommenheit verriet, die mich auf einmal bei diesem Thema befallen hatte. » Na ja, einigen wir uns einfach darauf, dass du ihr in der nächsten Zeit keinen Anlass zum Gläserrücken gibst, okay?«
    Joshua war meine Besorgnis offenbar nicht aufgefallen, denn er lachte ebenfalls und lehnte sich gelassen gegen den Betontisch. Er hatte natürlich recht, was seine Großmutter betraf. Meine Vorstellung in seinem Klassenzimmer, die von niemandem außer ihm gesehen worden war, bewies das. Dennoch schien dies ein geeigneter Moment zu sein, um das Thema zu wechseln und nicht weiter von Übernatürlichem zu sprechen. Also stellte ich ihm wieder eine Reihe von Fragen zu seinem Leben.
    Wir redeten so lange weiter, bis sich der grau bewölkte Himmel vollständig aufklärte und das darauf folgende Blau Rosa- und Purpurtönen wich. Während der Himmel sich veränderte, erzählte Joshua ein wenig von seinen Freunden, am meisten aber von den Dingen, die er liebte: Horrorfilme, die ich nie gesehen hatte, und Musiker, von denen ich nie etwas gehört hatte (welch Überraschung, so lange nach meinem Tod!), aber auch Literatur. Als er erwähnte, wie sehr er Ernest Hemingway mochte, entfuhr mir prompt eine Antwort, bevor ich auch nur Zeit hatte, darüber nachzudenken.
    » Oh, ich kann Hemingways Schreibweise nicht ausstehen.«
    » Hä? Ich dachte, du könntest dich, was dich selbst betrifft, an nichts erinnern.«
    » Kann ich auch nicht. Tue ich nicht«, verhaspelte ich mich. » Aber … ich glaube … ich erinnere mich sehr wohl daran, dass ich Hemingway nicht mochte.«
    Der Name des Autors selbst löste eine weitere dieser seltsamen Rückblenden bei mir aus. Auf einmal stand mir ein Bild klar und deutlich vor Augen: ich hielt ein Buch in meinen Händen, eine dünne Taschenbuchausgabe mit Kurzgeschichten, die ich im Schneidersitz auf einer Wiese las. Sommersonne erhellte die Erinnerung, heller als die Sonne, die jetzt hinter Joshua und mir unterging.
    Es kostete mich Mühe, wieder in die Gegenwart zurückzukehren, und als es mir gelang, sah Joshua mich erwartungsvoll, beinahe aufgeregt an. Doch als ich sprach, musste ich mich richtig konzentrieren, um mich an die Einzelheiten der Rückblende zu erinnern.
    » Ich erinnere … ich erinnere mich tatsächlich daran, diese Kurzgeschichte gelesen zu haben … etwas über eine Frau und einen Mann, die dieses furchtbare Gespräch führen, während er auf einer Safari stirbt.

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