Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

praktisch ausgesorgt. Er würde eine phantastische Wohnung mieten, mit Swimmingpool und Wasserrutsche, und Mickey müsse ihn unbedingt besuchen.
    Alyssa oder das Baby erwähnte er mit keiner Silbe.
    Mickey erkannte, dass sie auf dem Weg war, erwachsen zu werden, denn zum ersten Mal in ihrem Leben glaubte sie ihrem Vater kein Wort. Es machte sie traurig zu erkennen, dass er sich die Geschichte vermutlich nur ausgedacht hatte, um sie zu beschwichtigen. Früher hatte er sie für etwas Besonderes gehalten, doch inzwischen behandelte er sie wie alle anderen: seine Gläubiger, ihre Mutter, Alyssa … alles Menschen, die etwas von ihm wollten.
    Um nicht weiter darüber nachzudenken, konzentrierte sie sich auf ihre eigenen Vorhaben. Sie rief in der Auffangstation an, um sich nach dem Befinden der Schneeeule zu erkundigen, und der alte Mr. O’Casey setzte sie ins Bild. Sie hörte die Traurigkeit in seiner Stimme und ahnte, dass es etwas damit zu tun hatte, was ihre Mutter Chris und Mr. di Tibor erzählt hatte. Das bestärkte sie in ihrem Entschluss, ihren Plan weiterzuverfolgen – den nichtsahnenden Josh vor den Karren zu spannen, Briefe zu schreiben, abzuschicken und auf Antwort zu warten.
    Hoffentlich würde es Josh und seinem Vater wirklich gelingen, ihren Einfluss in Washington geltend zu machen – dann wären sie schon einen guten Schritt weiter! Sie würden etwas Gutes tun, ohne dass sie es beabsichtigt hätten. Wenn sie dank der Verbindungen seines Vaters den Senator, der ihren Bundesstaat vertrat, persönlich kennenlernen würde, konnten sie ihr Ziel vielleicht doch noch erreichen! Bald würde der Gips abgenommen, noch vor der Fahrt. Das war gut, denn mit der linken Hand würde sie dem Senator die Briefe überreichen, wenn sie ihm die Hand schüttelte.
    Das Leben war in einem ständigen Wandel begriffen. Es hieß, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings am Amazonas das gesamte Wetter der Vereinigten Staaten beeinflussen konnte. Das gleiche Gefühl hatte sie, wenn sie an die Ereignisse der letzten Tage, hier in Rhode Island, dachte. Alles schien miteinander verwoben zu sein, vielleicht, weil der Bundesstaat so klein war. Bestimmt gab es hier viele Schmetterlinge, die mit den Flügeln schlugen – mindestens aber zwei.
    Mickey und Shane. Sie hatten sich vorgenommen, die Welt zu verändern.

    »Wie ich höre, hat Mickey das Geld für Washington doch noch bezahlt«, sagte Josh und ging zu Shanes Spind hinüber. »Und wie mir zu Ohren gekommen ist, kommst du nicht mit. Ein Jammer!«
    Shane ignorierte ihn. Er kramte im Schrank, suchte seine Hausaufgaben für Geschichte. Ein Gedichtband von Thomas Hardy fiel ihm entgegen – Mickey hatte ihn ihm gegeben, am Anfang ihrer Kampagne zur Rettung des U-Boots. Shane hob ihn auf und klemmte ihn unter den Arm.
    »Deine Freundin scheint ziemlich aufgeregt zu sein wegen der Reise«, fuhr Josh fort.
    Shane runzelte die Stirn, bemüht, die Bemerkung zu ignorieren. Die Innenseite der grauen Metalltür des Spinds war übersät mit Surf-Aufklebern und Seiten, die er aus dem Surfing Magazine herausgerissen hatte: endlose blaue Wellen, kurz bevor sie brachen. Er versuchte, an das letzte Mal zu denken, als er mit dem Surfbrett eine Welle nach der anderen bezwungen hatte, die über dem Kommandoturm brach; es war anstrengend gewesen, auf den Double-ups mit ihren ultrastarken Spitzen Tricks zu versuchen. Er hatte die Majestät des Meeres verspürt und gewusst, dass er in die Fußstapfen seines Vaters trat, genauso leidenschaftlich surfte wie er.
    »Hast du gehört?«, fragte Josh.
    »Klar.«
    »Sie ist offenbar ganz heiß darauf, Senator Sheridan kennenzulernen. Senator House findet sie ebenfalls cool – aber mein Dad hat einen besseren Draht zu Sheridan. Sie kennen sich aus mehreren Clubs, in denen sie Mitglied sind.«
    Shane wühlte sich durch Stapel von Papieren auf dem Boden des Spinds. Er hatte das Blatt gerade noch in der Hand gehabt, vor der letzten Unterrichtsstunde. Wo war er nur mit seinen Gedanken? Wenn er so weitermachte, würde er es noch vermasseln. Er wusste schließlich, was Mickey vorhatte; er musste sich nur auf seinen Teil der Aufgabe konzentrieren und Joshs Worte an sich abprallen lassen.
    »Burning Tree, Manassas, Briar Hill …«
    »In Rhode Island?«, fragte Shane.
    »Nein. Washington. Warum?«
    Shane schüttelte nur den Kopf. Idiotisches Nordstaatenpack, kamen nach Rhode Island, um sich alles unter den Nagel zu reißen, schlugen Kapital aus dem