Wenn es Nacht wird in Miami
auf den Arm und ging auf Carly zu. Dicht vor ihr blieb er stehen. „Wir müssen reden“, sagte er.
Carly war von dem Gefühl, plötzlich wieder seine Nähe zu spüren, wie benommen. Sie musste sich beherrschen, denn es kribbelte ihr in den Fingern, ihm um den Hals zu fallen oder wenigstens über die dunklen Stoppeln seines Nachmittagsbarts zu streichen. „Das Essen ist fertig. Rhett hat schon Hunger.“
„Nein, ich habe eine andere Idee“, sagte Mitch und rief nach Mrs. Duncan, die sofort herbeigeilt kam, als habe sie auf seinen Ruf gewartet. „Könnten Sie heute Abend bitte Rhett füttern und ins Bett bringen? Carly und ich essen später. Wir sorgen dann selbst für uns.“
„Ist mir ein Vergnügen“, sagte die Haushälterin mit der Andeutung eines Lächelns und nahm Mitch das Kind ab.
„Komm mit, kleiner Mann.“
Carly wollte widersprechen. Sie war nicht darauf vorbereitet, mit Mitch allein zu sein. Aber jetzt war es zu spät.
„Wollen wir uns setzen? Wir haben eine Menge zu besprechen“, sagte Mitch, als Mrs. Duncan mit Rhett gegangen war.
Aber Carly rührte sich nicht vom Fleck.
Nachdem Mitch einen Augenblick gewartet hatte, begann er: „Gut. Fangen wir mit Marlenes tödlichem Unfall an.“ Carly sah ihn erwartungsvoll an. „Frank Lewis hat den Unfallwagen aufgestöbert. Der Fahrer war ein Student. Er hat zugegeben, für einen Moment unaufmerksam gewesen zu sein und nicht auf die Fahrbahn gesehen zu haben, weil er eine CD wechseln wollte. Als er Marlene angefahren hatte, hat er die Panik bekommen, wohl auch weil er ein paar Bier intus hatte, und hat Gas gegeben. Erst vor Kurzem hat er den Wagen in die Werkstatt gebracht, über die Frank ihn auch ausfindig gemacht hat. Frank hat die Sache jetzt der Polizei übergeben.“
Carly atmete tief durch, während sie versuchte, die Neuigkeiten zu verarbeiten. „Danke, dass du das für uns herausgefunden hast. Meine Eltern und ich brauchten einfach Gewissheit. Dann hat ja, Gott sei Dank, auch dein Vater nichts mit der Geschichte zu tun.“
„Darüber bin ich auch sehr erleichtert.“
Mitch machte eine Pause. Die Anspannung und die Verlegenheit waren ihm anzumerken. Dann legte er die Papiere auf den Couchtisch und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Carly“, fuhr er fort, „ich habe mir den Kopf darüber zermartert, wie ich dir zeigen kann, dass ich dich liebe, und dass ich dir Rhett nicht wegnehmen will. Ich gestehe, dass es ursprünglich meine Absicht war, um jeden Preis an das Sorgerecht für ihn zu kommen. Das soll keine Entschuldigung sein, aber ich war ehrlich davon überzeugt, dass dir die Mutterrolle auf die Dauer zur Last werden würde.“
„Was für ein Unsinn!“
„Das ist mir inzwischen klar.“ Carly erschrak, als sie plötzlich seine Hand an ihrem Arm spürte. „Ich will dich nicht verlieren, Carly. Mein Bruder Rand hat mir vor Kurzem die Augen geöffnet, als er sagte, dass ich dabei bin, wie mein Vater zu werden. Das war ein ziemlicher Schock für mich.“
Carly wollte etwas sagen, aber Mitch hob die Hand.
„Lass mich ausreden. Es gibt im Grunde nur eine Sache, mit der ich dir zeigen kann, dass ich es ernst meine, wenn ich sage, dass du mir wichtiger bist als alles andere, auch als mein Geld und meine Erbschaft: Ich werde auf das Erbe verzichten.“
Carly sah ihn fassungslos an. „Das ist nicht dein Ernst. Das kannst du nicht machen …“
„Doch, das kann ich. Zwar nicht so, wie ich mir das erst vorgestellt habe, indem ich auf das Testament pfeife. Denn damit würde ich nicht zuletzt auch Rhett um sein Erbteil bringen.“ Er ließ sie los und nahm den obersten Ordner von dem Stapel Unterlagen, den er auf den Tisch gelegt hatte. „Hier steht es. Ich werde mein Erbteil zu gleichen Teilen unter Rhett, Rand und Nadia aufteilen. Es ist mein Erbe, mit dem ich tun und lassen kann, was ich will. Allerdings kann der Verzicht erst am Ende dieses Jahres, das mein Vater vorgegeben hat, in Kraft treten. Aber ich habe es hier schon schriftlich und verbindlich festgelegt.“
Mitch hielt ihr den Ordner hin, aber Carly wollte ihn nicht nehmen. „Mitch, das kannst du nicht tun. Das … das kann ich nicht zulassen, dass du meinetwegen so etwas machst.“
„Doch, das kannst du. Es ist weder ungesetzlich noch widerspricht es dem Testament. Niemand kommt dadurch zu Schaden.“
„Doch. Du kommst dadurch zu Schaden.“
„Das ist mir egal. Ich will nur nicht, dass du denkst, dass es für mich etwas Wichtigeres gäbe als
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