Wenn Frauen kochen
unterschrieben mit Joe und Cindy oder Gord und Ricki , und er musste lange darüber nachdenken, ob er die Ehefrauen überhaupt je kennengelernt und seine Assistentin damit beauftragt hatte, ein Geschenk zur Hochzeit zu schicken. Erst später sollte er herausfinden, dass er gar nicht eingeladen worden war.) Seine Brüder riefen selten an. Im Grunde meldeten sie sich nur, wenn die Neffen und Nichten sich bei ihm für die verspäteten, aber extravaganten Geburtstagsgeschenke bedanken sollten. Oliver ließ jedes Jahr eine Menge Geld bei FAO Schwarz, dem großen Spielwarengeschäft. »Für dich sind wir Hinterwäldler«, sagte sein Bruder Marcus in einem ihrer seltenen Telefongespräche zu ihm. »Du hältst dich für etwas Besseres, weil du in Manhattan lebst.«
»Ist das nicht auch so?« Oliver hatte das als Witz gemeint.
»Mann, was ist nur mit dir passiert?«
»Wie meinst du das?«
»Wann ist aus dir so ein aufgeblasenes Arschloch geworden?«
»Wie bitte?«
»Ich sage dir, wie du bist: Mom wurde fünfundsiebzig, und von dir war weit und breit keine Spur zu sehen. Du bist die
Art Kerl, der seiner Mutter einen Riesenblumenstrauß schickt, aber keine Zeit hat, sie öfter als einmal im Jahr zu besuchen.«
»Ich hatte zu tun.«
»Sie hat geweint, Oliver. Den ganzen Abend hat sie gedacht, du wolltest deinen großen Auftritt und würdest irgendwann durch die Tür spaziert kommen.«
»Wie ich schon sagte, ich war beschäftigt.«
»Womit?«
»Ich habe gearbeitet.«
»Du hast immer gesagt, du würdest einsteigen, aussteigen und weitergehen.« Marcus seufzte. »Ich will offen zu dir sein: Du führst dich auf wie der König der Murmelspieler, aber wenn du mich fragst, bist du ein armseliger Verlierer.«
»Du kannst mich mal!«
»Wann warst du das letzte Mal bedingungslos nett? Wann warst du das letzte Mal glücklich?«
»Gestern Abend, mein Freund, als ich einen 95er Pinot und mit Ahornsirup glasierten Schweinebauch verschlungen habe.« Olivers Stimme klang triumphierend. »Bitte schön!«
Sein Bruder schwieg lange.
»Freut mich, dass du dein Essen hast«, sagte er schließlich. »Denn soweit ich das beurteilen kann, ist dir sonst nichts geblieben.«
Und wie bei dem perfekten Gewürz, das die Zunge wachkitzelt und am Gaumen brennt, wurde Oliver von den Worten seines Bruders aufgerüttelt.
Das war der Anfang gewesen, eine dumpfe Erkenntnis, die in seinem Hinterkopf leise rumorte. Er wollte … etwas anderes. Er wollte mehr sein als dieser Typ, der wirkte, als hätte er alles und doch gar nichts. Er war zu jemandem geworden, den Marcus und Peter nicht sonderlich mochten. Den er selbst nicht besonders leiden konnte.
Er wusste bereits, dass er sich am wohlsten fühlte, wenn er mit erlesenen Speisen zu tun hatte. Natürlich genoss er das Essen an sich sehr, aber er schätzte auch die Streifzüge durch Manhattans Feinschmeckerläden, das Auswählen saftiger Pfirsiche, frischer Auberginen und dicker Thunfischsteaks. Und ihm wurde etwas klar: Er hatte seine Arbeit nie als Selbstverwirklichung angesehen. Dieses ganze Einsteigen-Aussteigen-Szenario war ein prima Plan, aber nur, wenn er nicht vergaß, tatsächlich wieder auszusteigen. Wenn er nicht zum Gefangenen seiner Trägheit und der Nullen auf seinem Bankkonto wurde.
Er besuchte einen Abendkurs im Gebrauch von Küchenmessern. Danach einen über Brunch. Eine Einführung ins Backen. Festtagsmenüs. Und dann flog er nach Hause und kochte für seine Mutter und seine Brüder ein prächtiges Truthahndinner, mit Hackfleischfüllung, glasierten Süßkartoffeln und einem Chutney aus Pfirsichen, Birnen, Ananas und einer Prise Curry.
»Ich werde kündigen«, erklärte Oliver bei französischer Apfeltarte zum Dessert. »Ich habe mich für eine Ausbildung an der Kochschule angemeldet.«
»Das kommt jetzt aber recht überraschend«, warf sein Vater vorsichtig ein. »Fühlst du dich auch wohl?«
»Heißt das, du wirst etwas weniger arbeiten, Schatz?«, fragte seine Mutter und brachte seinen Vater mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Das nicht unbedingt«, antwortete Oliver. »Aber ich werde zufriedener sein.«
»Oh wie schön.« Seine Mutter seufzte.
»Nicht mehr so ein Trottel?«, fragte Marcus.
»Das können wir nur hoffen«, antwortete Oliver und reichte den Kaffee herum.
Es war erst vier Jahre her, dass er sich in der Kochschule eingeschrieben hatte, aber in der Zwischenzeit hatte sich nicht nur sein Tagesablauf, sondern auch sein Verhalten und seine Garderobe
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