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Wenn Ich Bleibe

Titel: Wenn Ich Bleibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Forman
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zu einem Vorspielen einlud, erzählte ich Adam von meiner Bewerbung und der bevorstehenden Aufnahmeprüfung. Ich erklärte ihm, dass die meisten Leute es nicht einmal so weit schafften. Erst schaute er mich ganz ehrfürchtig an, als ob er es nicht glauben könnte. Dann schenkte er mir ein trauriges kleines Lächeln und sagte: »Yo Mama muss sich warm anziehen.«
     
    Das Vorspielen fand in San Francisco statt. Mein Vater musste an irgendeiner wichtigen Konferenz in der Schule teilnehmen und konnte sich nicht freimachen, und meine Mutter hatte gerade erst ihren Job im Reisebüro angetreten. Also meldete sich meine Großmutter
freiwillig, um mich zu begleiten. »Wir Mädchen machen uns ein schönes Wochenende. Essen im Fairmont zu Abend. Machen einen Schaufensterbummel am Union Square. Fahren mit der Fähre nach Alcatraz. Wir werden uns wie richtige Touristen benehmen.«
    Aber eine Woche bevor es losgehen sollte stolperte meine Großmutter über eine Baumwurzel und verstauchte sich den Knöchel. Sie musste einen von diesen klobigen Stiefeln tragen und durfte nicht laufen. Panik machte sich breit. Ich behauptete, dass ich alleine fahren könnte – mit dem Auto oder mit dem Zug – und dass ich direkt nach dem Vorspielen wieder nach Hause kommen würde.
    Es war Gramps, der darauf bestand, mich zu begleiten. Gemeinsam fuhren wir in seinem Pickup nach San Francisco. Wir redeten nicht viel, was mich überhaupt nicht störte, weil ich so furchtbar nervös war. Ich spielte ständig mit dem Holzstiel herum, den mir Teddy vor der Abfahrt als Glücksbringer geschenkt hatte. Er stammte von einem Eis am Stiel. »Hals- und Beinbruch« hatte er gesagt.
    Gramps und ich hörten uns klassische Musik und landwirtschaftliche Beiträge im Radio an, wenn wir überhaupt Empfang hatten. Ansonsten saßen wir schweigend nebeneinander. Aber es war eine solch beruhigende Stille; ich konnte mich entspannen und fühlte mich ihm näher, als wenn wir ein vertrauliches Gespräch geführt hätten.

    Meine Großmutter hatte uns Zimmer in einer richtig plüschigen Pension gebucht, und es war lustig, meinen Großvater inmitten all der mit Spitze verzierten Deckchen und Potpourri-Schalen stehen zu sehen. Aber er trug es mit Fassung.
    Das Vorspielen war mörderisch. Ich musste fünf Stücke spielen: ein Konzert von Schostakowitsch, zwei Bach-Suiten, das komplette Pezzo Capriccioso von Tschaikowski, was nahezu unmöglich war, und einen Ausschnitt aus der Filmmusik zu Mission von Ennio Morricone. Letzteres war ein Stück, das mir besonderen Spaß machte, stellte aber auch ein Risiko dar, weil Yo-Yo Ma es bereits eingespielt hatte und jeder meine Leistung mit seiner vergleichen würde. Ich kam mit weichen Knien und schweißnassen Achseln wieder heraus. Aber die Endorphine zischten durch meinen Körper und sorgten – gemeinsam mit dem übergroßen Gefühl von Erleichterung, weil ich es hinter mir hatte – für eine übersprudelnde Ausgelassenheit.
    »Wollen wir uns die Stadt ansehen?«, fragte Gramps. Um seine Lippen zuckte ein Lächeln.
    »Na klar!«
    Wir machten all das, was meine Großmutter mir versprochen hatte. Gramps lud mich zum Essen ein, und wir gingen shoppen. Allerdings entschieden wir uns beim Abendessen gegen das schicke Restaurant auf der Fisherman’s Wharf, wo meine Großmutter einen Tisch reserviert hatte, und gingen stattdessen nach Chinatown.
Dort suchten wir uns das Restaurant, vor dem die längste Schlange stand, und aßen dort.
    Als wir heimkamen, stieg Gramps aus und umarmte mich fest. Normalerweise war er jemand, der einem lieber die Hand schüttelte oder – bei besonderen Gelegenheiten – leicht auf den Rücken klopfte. Seine Umarmung war kräftig und warm, und ich wusste, dass dies seine Art war, mir zu sagen, dass er die Zeit mit mir sehr genossen hatte.
    »Ich auch, Gramps«, flüsterte ich.

15.47 Uhr
    Man hat mich gerade aus dem Aufwachraum auf die Unfall-Intensivstation gebracht. Der Saal ist wie ein Hufeisen geformt, mit einem Dutzend Betten und einem Kader aus Krankenschwestern und Pflegern, die ständig herumwuseln und Computerausdrucke lesen, die am Fußende unserer Betten ausgespuckt werden und Auskunft über unsere Lebenszeichen geben. Mitten im Saal stehen weitere Computer und ein großer Schreibtisch, an dem ebenfalls eine Schwester sitzt.
    Ich habe eine Schwester und einen Pfleger, die regelmäßig nach mir sehen, gemeinsam mit einer ganzen Reihe von Ärzten. Den Pfleger mag ich nicht besonders; er ist ein

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