Wenn ich dich gefunden habe
flehentlich zu bedenken gegeben.
Im Endeffekt erforderte es ein Boxset von Grey’s Anatomy, einen Diamantanhänger (ein Karat), eine Dose Schokoladen-Kimberleys (um diese Jahreszeit nur sehr schwer aufzutreiben), einen Friseurgutschein von Brown Sugar (»Nicht dass du es nötig hättest!«, hatte Declan in Panik durch den Briefschlitz gerufen.), eine in Aussicht gestellte Outlet-Shoppingtour im Kildare Village, bei der er sich weder über schmerzende Füße noch über langes Herumstehen vor den Umkleidekabinen, noch über die übergebührliche Belastung seiner Kreditkarte beschweren durfte, sowie einen Wochenendaufenthalt in einem Luxushotel mit Wellnessbereich inklusive mindestens zwei Behandlungen pro Tag, von denen keine mit Haarentfernung zu tun hatte.
Danach war Declan pleite, übernächtig und von juckenden Stichen übersät, denn wie sich herausstellte, war
der Schuppen ein beliebter Aufenthaltsort für Mücken. »Aber«, schloss Stanley, »diesen Fehler hat er nie wieder gemacht.«
Dara unterdrückte ein Lachen. »Klingt ziemlich drastisch.«
»Ehrlich gesagt war es mal dringend nötig«, sagte Stanley, der Declans laxe Einstellung zum Thema Geschenke schon eingangs erwähnt hatte.
Der Zug kam abrupt zum Stehen, und Dara wurde von der Schwerkraft nach vorn geschoben, in Richtung Stanley. Sie streckte Halt suchend die Arme aus, und ihre Hände landeten auf seinen Schultern, während Stanley seinerseits eine Hand auf ihre Hüfte legte, um sie zu stützen, und einen Augenblick war es, als würden sie miteinander tanzen. Dara registrierte überrascht, wie warm und kräftig sich Stanley anfühlte. Er roch vertraut, obwohl sie nicht sagen konnte, wonach. Es war ein angenehmer Geruch, der nicht aus einer Flasche kam. Eher erinnerte er Dara an frisch geschnittenes Gras.
»Tut mir leid«, keuchte sie und versuchte, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, was gar nicht so einfach war, weil sich ein ganzer Schwung Leute nach draußen drängte und sich auf den Bahnsteig ergoss wie ein sprudelndes Getränk aus einer umgekippten Flasche.
»Wir sind da«, sagte Stanley überflüssigerweise.
Die Schnellbahn nach Sainte-Geneviève-des-Bois war viel leerer. Sie bewegte sich summend vorwärts, und ihre Passagiere trugen überwiegend Anzüge und lasen Tageszeitungen. Trotzdem war offensichtlich, dass sie in Paris waren, fand Dara. Ein Mann hatte sich ein Baguette unter den Arm geklemmt, von dem er immer wieder ein großes
Stück abbrach. Eine Frau mit Strohhut lachte in ihr Handy und hauchte dann kichernd »Ooh là là«. Ein Schuljunge lümmelte auf einem Sitz, die Kopfhörer seines iPods im Ohr. Er sah aus wie ein ganz normaler Teenager, bis auf die Baskenmütze, die schräg auf seinem Kopf saß und die vermutlich zu seiner Schuluniform gehörte.
Diesmal konnten sie sogar sitzen.
Die Fahrt dauerte nicht lange, sehr zu Daras Bedauern. Als sie in die Station einfuhren, schauderte Dara, als hätte ihr jemand eine kalte Hand in den Nacken gelegt. Stanley verstaute Stadtplan, Notizen und Stift in seinem Rucksack und erhob sich. »Bereit?«, fragte er.
Dara wollte den Kopf schütteln, stattdessen nickte sie. Sie wäre gern sitzen geblieben, doch sie stand auf. Sie wollte loslaufen, in die entgegengesetzte Richtung von der Rue de Ste Jeanne d’Arc, doch sie ging neben Stanley Flinter auf ihr Ziel zu. Binnen fünf Minuten waren sie am Ende der Straße angelangt.
Dara wurde langsamer und blieb schließlich stehen.
»Was ist los?«, fragte Stanley. »Drücken Ihre Schuhe?«
Dara nickte, obwohl sie Ballerinas trug, die kein bisschen drückten. Miss Pettigrew hatte ihr zu hochhackigen Schuhen geraten, aber nicht darauf bestanden. Wohl, weil sie fand, dass sie mit dem Kleid schon ganz schön weit gegangen war.
»Könnten wir uns eine Weile in den Park dort drüben setzen?«, bat Dara und deutete auf eine kleine Grünfläche zwischen zwei hohen Wohnblocks.
Der Park war winzig klein, doch es gab ein überdimensionales Schachbrett, dessen Figuren Dara – und auch Stanley – bis zum Knie reichten, sowie einige uralte überdachte Holztische und Bänke, auf denen dicht gedrängt Rentner
saßen und mit alten Centimes als Einsatz Karten spielten. Schoßhündchen suchten im Schatten schmaler Bäume Schutz vor der herunterbrennenden Sonne und beäugten einander betont desinteressiert.
Dara und Stanley setzten sich auf eine leere Bank und beobachteten ein älteres – vermutlich verheiratetes – Paar beim Boule-Spielen. Die
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