Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)
Flugversuche.
George hebt dankend die Hand.
Auch wir fahren weiter, die Straße vibriert, es sind vierzig Grad, die Luft flimmert und verzerrt die weißen Linien. Wie eine Fata Morgana taucht das Schild von Linda’s Café auf, einem kleinen Lokal, das von einer so kolossal dicken Frau geführt wird, dass nicht einmal Andrea, der große Umarmungsexperte, sie ganz umfassen kann. Er probiert es, bekommt aber nur einen Bruchteil von Linda in den Griff, sagen wir, ein Viertel.
»George lässt Sie grüßen«, sage ich, »er ist schon unterwegs mit seinem Fahrrad.«
»Hat er keinen Platten gehabt? Er kommt doch nur, weil er Geld für seine verrückten Ideen haben will!«
Linda saust trotz ihrer Leibesfülle mit ungeahnter Gewandtheit von einer Ecke des Raums zur anderen. Sie nimmt Andrea am Arm, schleift ihn zwischen den Tischen durch und stellt einen Haufen Fragen.
»Super, dass du es bis hierher geschafft hast. Hat dieser grässliche Typ dich hergebracht? Oder fährst du selbst Auto? Ein Motorrad wäre in der Wüste allerdings viel besser.«
»Aber wir sind doch mit dem Motorrad da«, protestiere ich.
»Halten Sie den Mund! Was wissen Sie schon von Wüstenmotorrädern?«
Ich entfalte eine Karte, da ich unschlüssig bin, wie es von hier aus weitergehen soll. Einstweilen trinke ich gekühlten Kaffee, ein Halbliterglas voller Eiswürfel. Der Geschmack ist berauschend, wie immer, wenn Sympathie in der Luft liegt. Linda, die alle Tische genau im Auge behält, bleibt stehen und blickt auf die Karte.
»Las Vegas«, sagt sie, »ist perfekt für zwei Reisende wie euch.« Nein, Las Vegas? Mit Andrea? Da ist zu viel Chaos für ihn. Doch Lindas Stimme hat einen so eigentümlichen Ton, dass ich aufhorche: Wenn sie »Las Vegas« sagt, klingt es, als spräche sie von einem märchenhaften Ort ohne jegliche Gefahr für zwei Typen wie uns, so wie wir aussehen und uns bewegen, ließen wir uns ja gewiss nicht von den Lichtern der Stadt blenden.
Ich hatte Andrea versprochen, wir würden auf der Reise immer das Maximum herausholen. »Andre, willst du nach Las Vegas fahren?« Sinnlose Frage, selbstverständlich ist die Antwort ja. Na dann… eine Nacht in Las Vegas.
Aufgekratzt schwingen wir uns wieder aufs Motorrad, und unterwegs erzähle ich Andrea von der Stadt des Glücksspiels. »Alles haben sie dort«, sage ich, »Slot Machines und auch Glücksspiele mit Karten und Roulette, weißt du, da dreht sich eine Kugel, es kommt eine Zahl heraus, rot oder schwarz.«
»Rot«, wiederholt Andrea mehrmals und lacht herzlich.
Über die Autobahn können wir unser Ziel in drei Stunden erreichen. Es ist brüllend heiß, die reinste Hölle. Wir begegnen keinem einzigen Auto, nur Eidechsen und verkohlten Grashalmen. Das Motorrad macht Zicken, hoffentlich macht es nicht vor uns schlapp.
Es ist noch hell, als wir in Las Vegas einfahren, ein Rummel ohnegleichen und irrer Verkehr. Wir beschließen, im Herzen der Stadt zu logieren, im Hotel Monte Carlo, das ist vornehm, praktisch und ein wenig eisig. Als wir ins Zimmer hinauf gehen, erfasst mich Übelkeit, der Magen ist in Aufruhr. Ich lasse mich aufs Bett fallen – leise Musik, gedämpftes Licht, ich versuche mich zu entspannen. Andrea verhält sich still und unbekümmert. Vielleicht könnte eine heiße Dusche die Müdigkeit fortspülen. In der Tat geht es mir danach besser, ich fühle mich noch etwas matt, gern würde ich noch eine Weile verschnaufen, doch Andrea wird allmählich ungeduldig. Okay, krank sein verboten.
Die Stadt ist eine elektrisierende Glitzerwelt, ein wimmelnder Ameisenhaufen voller Angebote jeder Art, da kann man leicht den Kopf verlieren, und das tun wir auch ein bisschen. Shows, Spielcasinos, Bordelle. Wir wagen uns an eine Slot Machine. Andrea gibt ein paar Kombinationen ein und gewinnt eine Handvoll Münzen: Er ist aufgeregt und ganz von den Socken, erforscht den Saal im Tanzschritt bis in den hintersten Winkel. Wer weiß, am Ende räumt er noch sämtliche einarmigen Banditen leer, denke ich, doch dann spielen wir erneut, und noch einmal und noch einmal, bis der ganze Gewinn wieder futsch ist.
Auch hier fühlt sich Andrea von kleinen Details angezogen, von unerwarteten kleinen Szenen. Die Fotos am Eingang der zahllosen Hochzeitskapellen, wo eine Trauung so lange dauert wie ein kurzer Imbiss, fesseln ihn.
Verwundert betrachten wir die abgelichteten Paare, die hier im Sekundentakt den Bund fürs Leben geschlossen haben. Wer da alles zusammengefunden hat: baumlange
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