Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
sie so durchschaut hatte.
Sie wusste, dass er Nachforschungen über sie angestellt hatte, ehe die Liga sie unter Vertrag nahm, und fühlte sich daher verletzlich, schließlich kannte Ethan viele persönliche Details über sie, während sie kaum etwas von ihm wusste.
»Wo wohnen Sie eigentlich?«, fragte sie. Er war im Hotel einquartiert, kam aber angeblich aus New York.
»Da und dort. Ich übernachte recht häufig bei einer Freundin. Die ist Tierfotografin und dauernd mit ihrem Lebensgefährten auf irgendwelchen exotischen Safaris.«
Er beugte sich vor und drückte den Knopf, um die Trennscheibe zwischen Chauffeur und Fahrgastraum hochzufahren. Das Gespräch sollte unter vier Augen bleiben.
»Darf ich Sie etwas fragen?«
Anyas Verunsicherung stieg.
»Wie verkraften Sie es, mit dem Verlust und Schmerz anderer umzugehen, wo Sie dasselbe selbst durchmachen mussten? Ich meine das Verschwinden Ihrer Schwester.«
Es war nicht überraschend, dass er von Miriam wusste. Es kam noch immer alle paar Jahre in die Schlagzeilen, vor allem wenn Anya an einem öffentlichkeitswirksamen Fall arbeitete.
»Das kann nicht einfach gewesen sein. Und es kann nicht leicht sein, leben zu müssen, ohne zu wissen, was mit ihr geschehen ist.«
Anya nahm einen Schluck Wasser und sah zum Fenster hinaus. »Für meine Eltern ist es am schwersten. Sie sind geschieden. Mom deckt zum Abendbrot noch immer jeden Tag einen Teller für Miriam auf. Es ist jetzt über dreißig Jahre her … « Mehr gab es eigentlich nicht zu sagen. Miriam war bei einem Fußballspiel entführt worden und seitdem spurlos verschwunden.
Er rieb sich den Nacken. »Das tut mir leid. Niemand sollte so etwas durchmachen müssen. Ich versuche nur zu verstehen, weshalb Sie tun, was Sie tun.«
»Das ist nicht so schwierig. Die Hinterbliebenen haben Anrecht auf einen Abschluss. Sie haben Anrecht darauf zu erfahren, was mit ihren Angehörigen passiert ist. Wenn ich dazu etwas beitragen kann, ist es jede Anstrengung wert. Und es ist sicher besser, als den ganzen Tag herumzusitzen und Trübsal zu blasen.«
»Ich könnte ja mal herumfragen, unter der Hand.«
Anya wusste das Angebot zu schätzen, aber sie hatten auch früher schon Privatdetektive engagiert, ohne dass etwas dabei herausgekommen wäre.
Sie lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. »Jetzt bin ich dran. Ich habe eine persönliche Frage an Sie.«
»Spielen wir jetzt ›Tat oder Wahrheit‹?« Er klappte das Laptop zu.
So leicht ließ sie sich nicht ins Bockshorn jagen. »Warum wurden Sie so böse, als ich den Gentest für Spieler ansprach?«
Diesmal sah er zum Fenster hinaus. »Es geht um einen Eingriff in ein Grundrecht, das mir sehr wichtig ist. Außerdem bin ich Verfechter der Redefreiheit und des von der Verfassung garantierten Rechts zu schweigen.«
Anya schaute ihn mit großen Augen an. »Sollte ich etwa Erkundigungen über Sie einziehen müssen?«
Er sah sie an und senkte den Blick. »Ich will nicht, dass irgendjemand das erfährt, und im Grunde ist es unfasslich, dass ich es Ihnen erzähle, aber mein Vater starb an der Huntington-Chorea.«
Sie holte Luft. Es war eine verheerende, durch einen Gendefekt verursachte Störung, die einen fortschreitenden Verfall der Hirnfunktion bewirkte. Der Verlust der Muskelkoordination führte schließlich zu Schluck- und Sprechproblemen und war praktisch nicht aufhaltbar. Noch problematischer waren die Stimmungsschwankungen und die letztendliche Demenz der Betroffenen. Da das Gen dominant erblich war, stand die Chance, dass die Erkrankung bei Ethan ebenfalls auftrat, bei fünfzig Prozent. Es gab keine Heilung.
»Das tut mir leid.« Sie sah ihm in die Augen. »Haben Sie sich testen lassen?«
»Was soll das bringen? Entweder man macht den Test und weiß, dass man sterben wird, oder man hofft auf die Fifty-fifty-Chance, dass man verschont bleibt.«
Eine dritte Möglichkeit gab es allerdings. »Und wenn Sie das Gen gar nicht haben? Sie müssten Ihr Leben nicht in dieser krassen Ungewissheit verbringen.«
Der Wagen bremste ab und bog in die Forest Avenue ein.
»Niemand weiß, was hinter der nächsten Ecke liegt. Aber so bleibt mir zumindest die Hoffnung, genau wie Ihrer Mutter. Ich glaube nicht, dass ich ohne die weiterleben könnte.«
Er ließ die Trennscheibe herab. »Ist das die Adresse, die ich Ihnen genannt habe?«
»Ja, Mr Rye, das ist das Haus der McKenzies. Ich habe gerade dort angerufen, wie Sie gebeten haben. Sie sind zu Hause.«
An der Tür wurden
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