Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
Damentoilette ein. Harald seufzte und versuchte einen Blick auf den Tresen zu erhaschen. Vor ihm standen bestimmt 20 Leute. Eine blasse, gepiercte Aushilfe und der stark übergewichtige Store-Manager (Harald erkannte ihn an der Extra-Uniform) versuchten,
der Massen Herr zu werden. Sie standen sich dabei offenkundig gegenseitig im Weg, es dauerte unerträglich lange.Als Harald den Weg zum Kaffeeglück auf fünf Wartende verkürzt hatte, drängelte sich plötzlich ein nach Bier stinkender Typ an ihm vorbei. »Hey, stellen Sie sich hinten an«, raunzte Harald. Der Mann drehte sich um. Er trug eine schwarze Lederweste, die den Blick auf nackte, tätowierte Haut und einen beeindruckenden Oberarmbizeps freigab. »Willste Ärger?«, fragte der Drängler. Die Bierfahne erstickte Harald fast. Er schaute hilfesuchend nach vorne, doch der laut Namensschildchen ausgewiesene »Manager on Duty« machte nicht die geringsten Anstalten, zu ihm zu sehen. Kleinlaut murmelte Harald zu dem Muskelpaket: »Nein, Sie haben es bestimmt eilig, gehen Sie nur.« Er hoffte, dass Sylvia ihn nicht bei dieser erbärmlichen Niederlage sah. Als der Typ an die Reihe kam, wählte er ein Stück Marmorkuchen. Harald stellte beunruhigt fest, dass es das letzte in der Glasvitrine war. Aber die hatten bestimmt noch welchen im Lager.
»Guten Tag, was darf es sein?«, lispelte die Aushilfe.
»Ich hätte gerne zwei Latte macchiato, einen mit Sojamilch«, erwiderte Harald.
»Soja ist aus«, erklärte das Mädchen mit genervtem Blick.
»Oje«, sagte Harald. »Ganz aus?«
»Na, wenn ich’s doch sage«, antwortete die Bedienung ausdruckslos.
»Gut, dann geben Sie mir zwei normale. Haben Sie noch Marmorkuchen?«
»Nein, gerade raus. Macht fünfachtzig, der Kaffee.«
»Moment mal, ich könnte doch etwas anderes nehmen«, rief Harald.
Hinter ihm wurde leises Gemurmel laut. »Sie sehen doch, was hier los ist«, mischte sich jetzt der Manager ein. »Überlegen Sie sich doch erst mal, was Sie eigentlich wollen, derweil können wir hier weitermachen.«
Harald sah zustimmendes Nicken in der Schlange. »Das habe ich doch, ist das meine Schuld, wenn alles aus ist?«, rief er.
»Haben Sie sich jetzt entschieden, oder wollen Sie Ärger machen?«, fragte der Uniformierte.
»Ich nehme zwei Latte macchiato und einen Blaubeermuffin«, sagte Harald entschieden und versuchte sich so zu beherrschen, dass seine Stimme sich nicht überschlug.
»Muffins sind aus«, antwortete die Aushilfe, »das habe ich Ihnen doch gerade gesagt.«
»Sie haben gesagt, dass Marmorkuchen aus ist«, empörte sich Harald. Das Murmeln hinter ihm schwoll weiter an. Der Manager musterte Harald aus verengten Augenschlitzen. In diesem Moment erkannte Harald, dass sich Sylvia näherte. »Gut, geben Sie mir zwei Latte macchiato und...« – er schaute panisch in die Vitrine – »...und dieses Stück Schwarzwälder Kirschtorte.« Wortlos wandte sich die Bedienung ab und begann die Kaffeegetränke zuzubereiten. Sylvia stellte sich neben Harald. »Du stehst ja immer noch hier«, meinte sie.
»Ja, das ist der Wahnsinn, wie langsam das vorangeht«, sagte Harald mit übertriebenem Kopfschütteln. Die Gepiercte stellte ihm die beiden Kaffegetränke und eine Schachtel mit dem halbflüssigen Kuchen hin.
»Welcher ist mit Sojamilch?«, fragte Sylvia die Bedienung.
»Keiner, die sind beide normal«, sagte das Mädchen ohne die Miene zu verziehen.
»Ich wollte doch einen mit Sojamilch«, begann Sylvia loszuzetern.
»Soja ist aus«, sagten Harald und die Bedienung gleichzeitig. Sylvia stutzte und schaute beide wütend an. Dann nahm sie einen der Becher, sagte: »Ganz toll«, drehte sich um und trippelte RichtungAusgang. Dabei bemerkte sie irritiert, dass ihr das halbe Lokal hinterherstarrte. Harald stellte schnell den Latte-macchiato-Becher auf die Kuchenpackung und trabte Sylvia hinterher. Er wusste schließlich, warum die Leute so guckten. Diesmal lag es nicht an Sylvias toller Rückansicht, sondern an der quer über ihr Gesäß verschmierten Schokolade, die sie glücklicherweise immer noch nicht bemerkt hatte.
»Wenn sie nicht so ein scharfes Gerät wäre, ich würde auf der Stelle Schluss machen und nach Hause fahren«, fluchte Harald innerlich, obwohl er zu ahnen begann, dass die Verbindungstür, wenn es sie überhaupt geben würde, verrammelt und verriegelt bleiben würde. Gerade wollte er die Schwingtür des Cafes mit der freien Hand öffnen, da drückte von innen ein Kind, das er übersehen
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