Wenn plötzlich die Angst kommt: Panikattacken verstehen und überwinden (German Edition)
irgendetwas anderes, aber nicht an rosa Flugzeuge. Wir werden jetzt ungefähr zwei Minuten still sein.« Ich bitte sie, einen Finger zu heben, wenn sie an rosa Flugzeuge denken. Die meisten Patienten heben bereits nach zehn Sekunden den Finger. Nachdem sie dann ungefähr dreißig Sekunden dagegen angekämpft haben, an rosa Flugzeuge zu denken, geht der Finger immer wieder nach oben, bis sie den Versuch schließlich ganz abbrechen. Ganz selten werde ich von jemandem überrascht, dem es tatsächlich gelingt, den Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Aber den meisten Menschen gelingt das nicht.
Dieses Experiment soll den Patienten zeigen, wie sinnlos es ist, an etwas nicht denken zu wollen. Wenn jemand wirklich Angst vor einem Gedanken hat, beginnt er sein eigenes Rosa-Flugzeug-Experiment. Die Angst vor dem Gedanken motiviert ihn zu versuchen, diesen Gedanken einzudämmen – was, wie wir gesehen haben, die Sache nur noch schlimmer macht. Was für eine Belastung ist es, gegen Gedanken wie diese anzukämpfen! Je mehr man kämpft, umso schlimmer wird es.
Gibt es ein Gegenmittel gegen Gedanken?
Es gibt zwei verschiedene Gegenmittel. Sie sind abhängig davon, welche Denkprozesse für den Betroffenen typisch sind.
1. Der unerwünschte Gast
Wenn Sie Angst vor gewissen Gedanken haben – zum Beispiel sich selbst oder andere zu verletzen – und Zeit und Kraft darauf verwenden, diese Gedanken zu verdrängen oder loszuwerden, dann liegt das Gegenmittel darin, der Ursache Ihrer Angst ins Gesicht zu sehen. Weglaufen funktioniertnicht, der Angst entgegenzutreten schon. In meiner Therapie geht es oft in einer der Sitzungen darum, sich seiner Angst auszusetzen. Bis zu vierzig Minuten lang wird der Patient gebeten, den zwanghaften Gedanken zuzulassen, ihn die ganze Zeit über zu denken oder auszusprechen. Ein Patient sagt beispielsweise alle zehn Sekunden: »Ich werde ihn schlagen.« Im Minutenabstand nennt der Patient eine Zahl zwischen 1 und 10, um anzuzeigen, wie ängstlich er sich fühlt, und ich zeichne auf, wie sich seine Angst im Lauf der Sitzung verändert. Nach und nach wird die Angst immer geringer, und oft verschwindet sie sogar ganz. Wenn man der Angst ins Gesicht sieht, schwindet sie dahin. Ich bitte meine Patienten, diese 30- bis 45-Minuten-Übung noch zweimal für sich selbst zu wiederholen.
Wenn ein Patient weniger davor Angst hat, einen Gedanken zu denken, sondern sich mehr davor fürchtet, was er tut, wenn dieser Gedanke auftaucht, setze ich eine andere Übung ein. Sie soll ihm zeigen, dass er seine Gedanken nicht zwangsweise in die Tat umsetzen muss. Mehr über solche »persönlichen Versuchsreihen« lesen Sie in Kapitel 16.
2. Sich selbst aus dem Problem herausdenken
Bei manchen Zwangsgedanken, wie zum Beispiel Zweifeln darüber, was man getan oder nicht getan hat, oder Zweifeln über den eigenen Geisteszustand, kann man viele Stunden mit dem Versuch verbringen, sich selbst aus dem Tief herauszudenken. Man will sich vergewissern, dass man normal ist, oder man versucht, die Vergangenheit rückgängig zu machen. Man will so das Gefühl erlangen, alles sei wieder in Ordnung. Der zwanghafte Gedanke »Ich verliere den Verstand« zum Beispiel beunruhigt und verstört den Betroffenen tief. Deswegen versucht er sich selbst davon zu überzeugen, dass sein Verstand in Ordnung ist. Das Problem liegt darin,dass dies Stunden dauern kann und sich die Gedanken immer und immer wieder im Kreis drehen. Ausgetretene Gedankenpfade kann man jeden Tag immer wieder neu begehen. Der Zustand der Unruhe und das erhoffte Gefühl der Bestätigung (normal zu sein) oder Beruhigung treiben den Betroffenen an, das Ganze immer wieder neu zu durchdenken.
Manchmal erreicht der Betroffene für eine Zeit lang eine gewisse Bestätigung, eine Art Hafen oder Oase, aber dann kehrt derselbe Zweifel wieder, und alles beginnt von vorn.
Normalerweise bleibt sein Denken irgendwo mittendrin stecken, bevor er das befriedigende Gefühl eines abschließenden Beweises erlangt. Wenn dies das Muster ist, dann besteht das Gegenmittel darin, die ausgetretenen Gedankenpfade zu verlassen. Es geht darum, keinen Beweis mehr zu suchen und mit dem Gefühl der Beunruhigung, der Unsicherheit oder dem Zweifel zu leben, bis er von selbst verschwindet – was sicher geschehen wird. Wenn der Betroffene sich dem Gefühl der Beunruhigung aussetzt und nicht die üblichen Rituale durchführt, um das Geschehene rückgängig zu machen, wird die Beunruhigung nach ein oder
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