Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
hervor. »Ich hab eine Menge Zeit und Energie in dich investiert. Also wirst du gefälligst bleiben, bis ich dir sage, dass du gehen kannst.«
»Ich denke gar nicht daran«, begehrte sie auf. »Du kannst mich nicht zwingen, bei dir zu bleiben!«
Er ließ ihren Arm los und packte sie stattdessen im Genick. »Das werden wir ja sehen.« Sein stechender Blick hielt ihren fest. »Ich weiß genug über dich. Was, glaubst du, wird passieren, wenn ich auspacke und alle erfahren, dass du trinkst und Tabletten einwirfst? Dann taugst du bestenfalls noch für Sexfilme und Pornomagazine. Und das kannst du nicht ewig machen. Nach ein paar Jahren bist du kaputt, und kein Mensch will dich mehr sehen. Also wach endlich auf, damit du merkst, wie gut es dir geht. Andernfalls ...«
Josie hatte Angst bekommen. Sie wusste, er meinte es ernst. Trotzdem fand sie den Mut zu fordern: »Dann gib mir wenigstens, was mir zusteht!« Sie wand sich aus seinem Griff. »Ich will Geld sehen, richtiges Geld, nicht bloß ein Taschengeld. Ich werde alles selbst bezahlen, die Wohnung, das Auto, alles. Und ich will ausgehen können, wann und mit wem ich will.«
Einen Augenblick sah er sie nur an. Seine Mundwinkel zuckten höhnisch. »Okay, wie du willst. Du hast nichts im Kopf, Jojo. Deshalb wirst du alles für Alkohol, Tabletten und Drogen verschleudern. Aber solange ich noch ein Jahr oder so aus dir rausholen kann, soll es mir recht sein.«
Ohne ein weiteres Wort ging er aus dem Zimmer und warf die Tür ins Schloss. Josie griff nach ihrer Handtasche und schüttelte eine Schlaftablette aus dem Tablettenröhrchen.
15. Kapitel
1970
E llen saß am Fenster ihrer Wohnung, vor sich auf dem Tisch einen Stapel Fotos von Josie und Zeitungsartikel über sie. Es war Ende September. Normalerweise ging sie sonntagmorgens spazieren, aber es regnete in Strömen. Deshalb hatte sie beschlossen, daheim zu bleiben und endlich einmal die Fotos und Ausschnitte in ihr Album einzukleben.
Sie war gern in ihrer kleinen Wohnung direkt über einem Laden und neben der Post. In der belebten Wells Road, einer Ausfallstraße, war es zwar ein bisschen laut, aber sie war in wenigen Minuten sowohl im Grünen als auch in der Schule, in der sie arbeitete. Da sich die Wohnung in einem desolaten Zustand befunden hatte und der Vermieter, ein alter Mann, sich nicht um die Renovierung kümmern konnte, hatte Ellen die Sache selbst in die Hand genommen und zahlte zum Ausgleich nur eine geringe Miete. Ellen hatte die Idee, alles selbst zu renovieren, gefallen, zumal es sich nur um zwei Zimmer plus Küche und Bad handelte.
Die gesamte Häuserzeile war in den Dreißigerjahren gebaut worden und die Bausubstanz deshalb noch ganz in Ordnung. Nachdem Ellen ihre neue Stelle in der Schule angetreten hatte, hatte sie Leute kennen gelernt, die ihr beim Renovieren mit Rat und Tat zur Seite standen. Der Hausmeister verstand etwas von elektrischen Anlagen, und ein Installateur, der eine neue Gasheizung einbaute, war auch bald gefunden.
Ellen stöberte für ihr Leben gern in Trödelläden. Es bereitete ihr Spaß, alte Sachen zu kaufen und wieder herzurichten. Sie genoss ihre Selbstständigkeit und liebte es, sich ihr eigenes Zuhause einzurichten.
Sie war wirklich ein Glückspilz. In der Schule hatte es ihr vom ersten Tag an gefallen. Der Umgang mit körperlich behinderten Kindern war eine Herausforderung, und nach einer Eingewöhnungszeit stand für sie fest, dass diese Arbeit ihr sehr viel mehr gab als die Betreuung der Sanderson-Kinder.
Sie fand auch schnell neue Freunde. Die Betreuer und Lehrer waren alle sehr nett, und Ellen passte wunderbar in diesen Kreis. Ihre verheirateten Kollegen luden sie oft zu sich zum Essen oder zu einer Party ein; mit den ledigen traf sie sich gelegentlich nach der Arbeit zu einem Drink im »Happy Landing«, einem Pub ganz in der Nähe ihrer Wohnung.
Sechs Jahre waren seit Catherines Geburt und der Adoption vergangen, und inzwischen konnte sie daran denken, ohne in Tränen auszubrechen. Sie machte sich auch keine Vorwürfe mehr, weil sie wusste, als ledige Mutter hätte sie weder einen anständigen Job noch eine passable Wohnung bekommen.
Sie stellte sich lieber vor, wie Catherine in Schuluniform, einen kleinen Schulranzen auf dem Rücken, in die Schule marschierte. Ob sie wohl Tanzunterricht bekam oder ein Instrument erlernte? Sie selbst wäre nie im Stande gewesen, ihr all diese Dinge zu ermöglichen.
Wenn sie doch einmal von Traurigkeit übermannt wurde,
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