Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
es ein Unfall?«
Joel zuckte mit den Schultern. »Ich hab mit einem der Kollegen in Truro gesprochen, die den Wagen aus dem Wasser gefischt haben, und er glaubt nicht an einen Unfall. Es hat Samstagnacht wie aus Kübeln gegossen, und es gibt keine Straßenbeleuchtung in Point, aber das Meer kann man immer sehen, und einen Zaun gab es da auch. Selbst wenn sie sich verfahren hätte, hätte sie auf dem breiten Kai problemlos wenden können. Außerdem hätte sie sicher versucht, irgendwie aus dem Auto rauszukommen, wenn es ein Unfall gewesen wäre.«
»Aber warum sollte sie sich auf diese Weise umbringen? Es muss doch eine Ewigkeit gedauert haben, bis der Wagen unterging.«
»Meiner Meinung nach war sie geistig verwirrt«, erwiderte Joel versonnen. »Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht. Sie muss London in der Absicht verlassen haben, ins Ausland zu fliehen, sonst hätte sie nicht so viel mitgenommen. Und dann fährt sie ausgerechnet in diese Ecke von Cornwall, wo praktisch jeder sie kennt. Deshalb vermute ich, sie muss unterwegs durchgedreht sein. Wahrscheinlich hatte sie die Sache mit der Brandstiftung längst verdrängt, aber dann ging sie auf dich los, und dadurch muss alles wieder an die Oberfläche gekommen sein. Ihr dürfte klar geworden sein, dass sie keine Chance mehr hatte, und das muss sie vollends um den Verstand gebracht haben.«
Daisy rollten Tränen über die Wangen. »Ich weiß gar nicht, warum ich um sie weine«, murmelte sie. »Sie hat meine Mutter getötet, und mich wollte sie auch umbringen.«
Joel trocknete ihr mit seinem Taschentuch zärtlich die Tränen. »Ich wäre enttäuscht, wenn du nach all den Anstrengungen, die du unternommen hast, um sie zu finden, nicht ein paar Tränen vergießen würdest. Ich weiß, was es dir bedeutet hat.«
Daisy schaute zu ihm auf. Sie sah keine Feindseligkeit in seinem Gesicht, nur Sorge um sie, und das besänftigte sie.
»Wenn ich nicht aufgetaucht wäre, hätte kein Mensch jemals erfahren, dass sie es war, die das Feuer gelegt hat. Warum hat sie mich nicht einfach davongejagt?«, fragte sie. »Das wäre das Einfachste gewesen.«
»Vielleicht ist es ihr wie mir ergangen, und sie hat nicht gleich erkannt, dass man sich mit dir nichts als Ärger einhandelt«, meinte Joel grinsend. »Oder sie hat sich selbst schon für Ellen gehalten, nachdem sie sich dreizehn Jahre für sie ausgegeben hat. Möglicherweise war sie auch einsam, und da gefiel ihr die Vorstellung, eine Tochter zu haben. Vielleicht fürchtete sie auch, du könntest etwas gegen sie unternehmen, wenn sie dich wegschickt. Wie auch immer, meiner Meinung nach war sie verrückt. Welcher normale Mensch würde drei Menschen bei lebendigem Leib verbrennen lassen?«
Daisy fiel ein, wie sie bei ihrem ersten Besuch bei Mavis von ihrer verrückten Verwandtschaft gesprochen hatte. Mavis! Die alte Dame hatte ja fast einen Schock erlitten, als sie Josie wiedererkannt hatte. »Weißt du, wie es Mavis geht?«
Joel nickte. »Ich habe sie heute Morgen mit einem Kollegen befragt. Sie war natürlich geschockt, als sie von dem Angriff auf dich erfuhr, aber in gewisser Weise war es ihr wohl auch eine Genugtuung, dass sie Recht behalten hat. Sie sagte, sie und ihr Mann seien immer davon überzeugt gewesen, dass etwas an der Brandkatastrophe damals faul war. Die Polizei hat ihrer Ansicht nach zu schlampig ermittelt. Doch sie ist eine starke, kluge alte Dame, sie wird das alles verkraften. Sie lässt dich übrigens herzlich grüßen. Morgen wird sie wieder nach Hause fahren.«
»Und wann kann ich endlich wieder nach Hause?«, fragte Daisy ungeduldig.
»Das wird noch ein Weilchen dauern, schätze ich. Du hast eine schwere Kopfverletzung gehabt. Die Ärzte wollen sichergehen, dass du keine Hirnverletzungen davongetragen hast.«
»Wo nichts ist, kann auch nichts verletzt werden«, gab sie zurück und fing wieder zu weinen an. »Ich habe alles falsch gemacht! Ich habe dich vergrault, ich bin auf eigene Faust auf Mörderinnenjagd gegangen, ich habe mich von meiner Familie entfremdet ...«
»Du hast dich nicht von deiner Familie entfremdet«, widersprach er entschieden. »Und mich hast du auch nicht vergrault. Ich bin doch da!«
»Aber ich hab alles kaputtgemacht.«
»Darüber reden wir, sobald es dir besser geht.« Er beugte sich hinunter und küsste sie auf den Mund. »Vielleicht müssen wir eben noch einmal ganz von vorn anfangen.«
Daisy erholte sich langsamer, als sie gehofft hatte. Nicht lange nach Joels
Weitere Kostenlose Bücher