Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
Ruhestand darin zu verbringen.
Die Straße knickte scharf nach rechts, dann nach links ab, und sie stand unvermittelt vor einer alten, grasüberwucherten Ufermauer.
Sie stellte den Motor ab. Es war Flut. Josie ließ das Fenster herunter. Sie konnte die Brandung hören und atmete den herrlich salzigen Geruch ein, den sie anfangs in London so vermisst hatte.
Der Himmel war bedeckt, aber die Scheinwerfer strahlten auf das schwarze, bewegte Wasser hinaus. Eine seltsame Anziehungskraft ging von ihm aus. Sie dachte an die unzähligen kleinen Boote, die in den letzten zweihundert Jahren von hier aus in See gestochen waren.
Ihre Gedanken kehrten zu Daisy zurück. Sie hatte ihr den Vorschlag gemacht, gemeinsam nach Cornwall zu fahren, was sie unter dem Vorwand, dort sei ihr alles verhasst, rundweg abgelehnt hatte. Doch das stimmte nicht – sie liebte Cornwall von ganzem Herzen, so sehr sie auch dagegen ankämpfte.
Bei dem Gedanken an Daisy fing sie wieder zu weinen an. Sie hatte sie wirklich gern gehabt. Sie war wie Ellen, doch ohne deren Tugendhaftigkeit, wie Josie, aber ohne ihre Schwächen. Sie hatte ein sonniges Naturell und war eine Bereicherung für jeden Menschen in ihrem Leben. Josie hatte sie nicht verletzen wollen.
Das Spiel war aus. Es gab niemanden mehr, zu dem sie sich hätte flüchten können. Sie war nass vom Regen, der durchs Fenster hereingetrieben wurde. Josie betrachtete den Zaun, der an der Ufermauer entlangführte, einen altersschwachen Drahtzaun. Da das Schicksal sie hierher geführt hatte, schien dies der passende Ort zu sein, allem ein Ende zu setzen.
Sie legte den zweiten Gang ein, trat das Gaspedal durch und löste die Bremse. Der Wagen schoss vorwärts, holperte über einige tiefe Fahrrinnen. Den Fuß auf dem Gaspedal, fühlte sie, wie das Auto abhob und einen Augenblick durch die Luft segelte, bevor es auf die Wasseroberfläche klatschte. Der Motor erstarb.
Durch das Fenster strömte eiskaltes Wasser herein, doch der Wagen schaukelte noch immer auf den Wellen. Da erst wurde ihr bewusst, dass das kein schneller, schmerzloser Tod sein würde. Aber nach allem, was sie getan hatte, konnte sie das auch nicht erwarten.
24. Kapitel
J oel entdeckte Daisys VW Käfer auf dem Parkplatz hinter dem Haus in Askwith Court. Er parkte unmittelbar daneben, lief zum Vordereingang und drückte auf den Klingelknopf von Wohnung neun. Als niemand öffnete, klingelte er bei Wohnung acht.
Eine Frau meldete sich.
»Polizei. Ich hätte ein paar Fragen.«
Die Tür sprang auf, und Joel hetzte die Treppen hinauf. Ein Mann mittleren Alters und eine Frau standen vor ihrer Wohnungstür und schauten ihn fragend an.
Er erklärte, dass er die Fahrerin des blauen Käfer suche, die offenbar ihre Nachbarin, Miss Pengelly, besucht habe.
Der Mann und die Frau tauschten einen Blick. »Ja, richtig, so gegen Viertel vor sechs kam jemand zu Miss Pengelly«, berichtete der Mann. »Wir hörten Stimmen. Aber sie ist später fortgegangen. Ich habe ein Geräusch gehört, und als ich nachgeschaut habe, sah ich Miss Pengelly mit einem Koffer hinuntergehen.«
Auf Joels Frage bestätigten die beiden, es sei nicht Daisy gewesen, räumten allerdings ein, Miss Pengelly nicht besonders gut zu kennen, weil sie sehr zurückgezogen gelebt habe.
Joel hielt es zwar für denkbar, aber unwahrscheinlich, dass Daisy Ellen begleitet hatte. Wenn er sich Zutritt zu Ellens Wohnung verschaffte und Daisy nicht da war, würde er ziemliche Schwierigkeiten bekommen. Doch das Risiko würde er eingehen.
»Ich werde die Tür aufbrechen«, erklärte er dem Mann, der erschrak. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mit hineingingen, falls ich einen Zeugen brauche.«
Joel warf sich mit der Schulter gegen die Tür, aber erst nach einem kräftigen Tritt flog sie auf. Er ging hinein, der Nachbar folgte ihm.
Ellen hatte die Wohnung offensichtlich fluchtartig verlassen. Durch die geöffnete Schlafzimmertür konnte man das Chaos, das darin herrschte, sehen. Die Tür zum Wohnzimmer war verschlossen. Joel stieß sie auf und schaltete das Licht an. Daisy lag in einer Blutlache gefesselt auf dem Sofa.
»O mein Gott!« Der Nachbar riss entsetzt die Augen auf. »Ist sie tot? Hat Miss Pengelly sie etwa umgebracht?«
Joel war nicht in Stimmung für lange Erklärungen. »Einen Krankenwagen, schnell!«, befahl er. Er beugte sich über Daisy und tastete nach dem Puls. »Sie lebt, aber der Puls ist ganz schwach. Sagen Sie dem Notarzt, sie hat eine schwere Kopfverletzung,
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