Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
sie sollen sich beeilen! Nun machen Sie schon!«
Der Mann hastete hinaus. Joel kniete neben Daisy nieder und entfernte das Halstuch, mit dem sie geknebelt worden war. Sie lag auf der Seite. Das aus der Kopfwunde austretende Blut gerann bereits. Hände und Füße waren ungeschickt mit einem Abschleppseil gefesselt.
»Daisy, kannst du mich hören?«, flüsterte er der Bewusstlosen zu. Ihm war vor Angst um sie übel. Die Verletzung sah böse aus. »Ich bin es, Joel. Ich liebe dich, Baby. Ich bring dich ins Krankenhaus, es wird alles wieder gut.«
Schwester Franklin trat an Daisys Bett. Daisys Kopf war bandagiert, ihr Gesicht fast so weiß wie das Bettlaken, und sie hing am Tropf.
»Sie haben Besuch, Daisy«, erklärte sie sanft. Ihre Patientin war erst seit kurzem bei Bewusstsein. »Ihre Schwester. Ich habe ihr gesagt, sie darf Sie sehen, aber nur kurz.«
Es war Montagmorgen. Gleich nach ihrer Einlieferung ins University College Hospital am Samstagabend waren ihr operativ Knochensplitter aus der Kopfwunde entfernt worden. Joel, John und die Zwillinge hatten die ganze Nacht und den halben Sonntag im Krankenhaus verbracht. Erst gegen Abend waren sie nach Hause gegangen, nachdem der Arzt und die Schwestern ihnen versichert hatten, Daisy sei außer Lebensgefahr.
»Lucy?«, flüsterte Daisy matt. Sie war noch ganz erschöpft.
»Ja, Lucy. Das arme Ding ist völlig verstört. Alle haben sich schreckliche Sorgen um Sie gemacht. Gestern Abend mussten wir Ihre Familie und Ihren Freund buchstäblich hinauswerfen, damit sie sich ein bisschen ausruhen, nachdem sie das ganze Wochenende hier waren.«
Die Schwester ging hinaus, und Sekunden später kam Lucy herein. Daisy konnte ihre Betroffenheit und ihre Sorge förmlich fühlen.
»Alles okay«, wisperte sie, »ich bin noch ganz.«
Lucy trat neben sie und versuchte, sie behutsam zu umarmen. »Das war das schlimmste Wochenende meines Lebens«, flüsterte sie. »Ich konnte einfach nicht glauben, was diese Frau dir angetan hat.«
Die Schwester hatte Daisy erzählt, was geschehen war, aber sie fühlte sich noch nicht im Stande, darüber zu reden.
Sie hob die Hand und befühlte die Bandagen. »Haben sie mir die Haare abgeschnitten?«
»Nur rings um die Wunde«, antwortete Lucy. »Keine Bange, das wächst schnell nach. Du bist bald wieder wie neu.«
Obwohl sie ganz benebelt war, spürte Daisy die Angst hinter Lucys Worten. »Ich freu mich, dass du gekommen bist«, brachte sie mühsam hervor. »Ich bin bloß noch nicht ganz bei mir.«
»Ich bin schon froh, dass du wach bist und sprechen kannst.« Lucy beugte sich dicht über sie. »Weißt du, als ich dachte, ich würde dich verlieren, wurde mir klar, wie sehr ich dich liebe. Deshalb bin ich gekommen. Um dir das zu sagen.«
Lucys Worte gingen ihr zu Herzen. Es bewegte sie zutiefst, dass ihre sonst so beherrschte, emotionslose kleine Schwester sich überwand und ihre Gefühle offenbarte.
»Ich danke dir, Lucy«, antwortete sie mit Tränen in den Augen.
Die Schwester kam herein und bat Lucy zu gehen, weil es die Patientin sonst zu sehr anstrenge. Lucy verabschiedete sich mit einem Kuss auf die Wange und einem zärtlichen Händedruck. Dann ging sie leise aus dem Zimmer.
Als Tom und John später nach Daisy schauten, war sie schon ein bisschen munterer. Da sie sich nur bruchstückhaft an die Ereignisse des Samstagnachmittags und -abends erinnern konnte, bat sie ihren Bruder und ihren Vater, ihr den Rest zu erzählen.
John berichtete von seinem Telefonat mit Mavis’ Enkelin und dem anschließenden Gespräch mit Joel.
»Er ist dann zu Ellens Wohnung gefahren und hat die Tür eingetreten. Ich bin bloß froh, dass ich gleich ihn und nicht die Polizei angerufen habe. Dort hätte man mir bestimmt geraten, erst einmal vierundzwanzig Stunden zu warten, ob du von selbst wieder auftauchst.«
Er brauchte nicht hinzuzufügen, dass es dann zu spät gewesen wäre. Daisy konnte es von seinem Gesicht ablesen.
»Also war er es, der mich gefunden hat? Eine der Schwestern erwähnte einen Freund, aber ich war so groggy, dass ich das gar nicht richtig registriert hab. Eigentlich hab ich es nicht verdient, dass er mich rettet. So mies wie ich ihn behandelt habe ...«
»Er liebt dich noch immer«, versicherte Tom ihr. »Du hättest ihn hören sollen, als er anrief und uns mitteilte, du seist im Krankenhaus! Er hat fast geheult.«
Daisy dachte einen Augenblick darüber nach. »Und Ellen? Weiß man schon etwas?«
»Das wird dir Joel erzählen,
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