Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
ledrige Haut wie ihr Vater zu bekommen. Da beide glutvolle dunkelbraune Augen, einen großen, schön geformten Mund, perfekte Zähne und eine schlanke, gut proportionierte Figur hatten, wurden sie, wenn sie einzeln angetroffen wurden, oft miteinander verwechselt. Sah man sie jedoch zusammen, sprangen die Unterschiede sofort ins Auge.
Josie war eine kichernde Plaudertasche, launisch und unfähig, sich auf etwas zu konzentrieren. Sie schwankte ständig zwischen griesgrämig und aufgedreht, reagierte beleidigt auf jedes kritische Wort und glaubte immer alles besser zu wissen.
Die wesentlich intelligentere Ellen war lernbegierig, aufmerksam und zog das Zuhören dem Reden vor. Sie war nicht nur ihres ruhigen, aber selbstbewussten Auftretens wegen beliebt, sondern weil sie sich ernsthaft für die Menschen interessierte, mit denen sie zu tun hatte. Es fiel ihr leicht, sich Vertrauen und Achtung zu erwerben, und die Einheimischen bemerkten oft bewundernd, was für ein feiner Mensch sie geworden sei.
Ellen war erst so still geworden, nachdem sie die Wahrheit über ihre leibliche Mutter herausgefunden hatte, wobei die Reaktion ihrer Stiefmutter auf ihre seelischen Nöte sie tiefer getroffen hatte als die Entdeckung an sich. Obwohl sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie erkannt, dass sie Violet im Grunde gleichgültig war. Von da an hatte sie sich, um sich keinen Ärger einzuhandeln, im Hintergrund gehalten und gehorcht.
Als Teenager begriff sie, was Violets Problem war: Sie war eifersüchtig auf Ellen, weil sie Josie ihrer Meinung nach in den Schatten stellte. Josie sollte diejenige sein, die im Mittelpunkt stand, die umschwärmt und bewundert wurde. Und so tat Ellen alles, um ihre jüngere Schwester in den Vordergrund zu rücken, während sie selbst nichts mehr sagte oder machte, was ihre Mutter hätte verärgern können, sondern ihr nach Möglichkeit aus dem Weg ging.
Zum Glück hatte sie in ihrem Vater einen Verbündeten: Er schien ein Gespür dafür zu haben, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte. Dann bat er sie, ihm bei diesem oder jenem zu helfen, damit sie ungestört waren und Ellen sich aussprechen konnte. Er selbst redete nicht viel, aber er schätzte ihre Ansichten und hörte ihr gern zu, wenn sie von der Schule erzählte. Als sie sich für das Gymnasium in Falmouth qualifizierte, strahlte er übers ganze Gesicht und meinte, das sei aber »schön«. Das genügte ihr, den Sarkasmus der Stiefmutter an sich abperlen zu lassen. Ellen war am glücklichsten, wenn sie ihrem Vater auf der Farm helfen konnte. Wäre ihre Stiefmutter nicht gewesen, so hätte sie mit dem allergrößten Vergnügen ihr Leben auf der Farm verbracht. Das konnte sie Josie gegenüber natürlich nicht zugeben, aus Angst, sie werde es Violet weitererzählen.
»Hier? Auf der Farm?«, rief sie und riss die Augenbrauen hoch, als wäre das die verrückteste Idee, die sie je gehört hatte. »Nie im Leben!«
Es tat weh, ihre große Liebe zu verleugnen. Im Grunde ihres Herzens war sie ein Landkind, ein Naturmensch, der sich an der frischen Luft am wohlsten fühlte, der es liebte, den Wind, den Regen oder die Sonne auf dem Gesicht zu spüren und zuzusehen, wie alles wuchs und gedieh. Es bereitete ihr Freude, mit Tieren umzugehen, Gemüse anzubauen, den Traktor zu fahren und die Kühe zu melken. Sie hatte nicht nur das Aussehen der Pengellys geerbt, sondern auch deren Liebe zum Land. Und da sie eine bessere Schulbildung als jeder andere aus der Familie hatte, würde sie, hätte sie erst einmal die entsprechenden Kenntnisse erworben, auch die Produktivität der Farm steigern können.
Sie hatte erwogen, an einer landwirtschaftlichen Hochschule zu studieren und danach die Farm zusammen mit ihrem Vater zu betreiben, doch sie wusste, das würde ein schöner Traum bleiben. Violets Feindseligkeit ihr gegenüber war noch größer geworden, nachdem Josie den Sprung aufs Gymnasium nicht geschafft hatte. Wenn Ellen nun gemeinsam mit ihrem Vater die Farm übernähme, würde Violet darin eine Intrige vermuten, mit dem Ziel, Josie später einmal um ihr Erbteil zu bringen. Violet machte in rabenschwarzen Momenten diesbezüglich schon oft genug bissige Bemerkungen.
Als hätte Josie ein Interesse an der Farm! Ihr größter Wunsch war es, nach London zu ziehen und Fotomodell zu werden. Sie träumte von nichts anderem. Sie war nicht gern draußen an der frischen Luft, es sei denn, es war ein heißer Tag so wie heute, und sie konnte sich bräunen. Und selbst wenn Albert
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