Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
konnten.
»Sie hat jetzt übrigens einen Freund, das hab ich dir noch gar nicht erzählt«, bemerkte Ellen. »Er arbeitet in einem Schuhgeschäft in Falmouth und hat genauso viele Pickel wie sie.«
»Wahrscheinlich stecken sie sich beim Knutschen gegenseitig an.« Josie begann von neuem zu kichern. »Stell dir bloß mal vor, die beiden heiraten und kriegen Kinder! Die werden ja heiter aussehen!«
Sie verstummte abrupt. Ihr Gesicht verdüsterte sich. Ellen wusste, sie war verlegen, weil sie an den Streit dachte, den sie neulich belauscht hatten.
»Du denkst an das, was Mum gesagt hat, nicht wahr?«, meinte Ellen. »Mach dir nichts draus, sie kann mir nicht mehr wehtun.«
Sie hatten schon im Bett gelegen. Es war eine warme Nacht gewesen, alle Fenster hatten offen gestanden – Ellen und Josie hatten den Krach zwischen den Eltern zwangsläufig mit angehört. Zuerst ging es ums Geld. Ihre Mum sagte, sie sehe nicht ein, warum sie die untere Weide diesen Sommer nicht an Camper vermieten sollten. Auf diese Weise würden eine Waschmaschine und ein Fernseher für sie herausspringen.
Worauf ihr Dad entgegnete, er werde nicht zulassen, dass ihm eine Horde Fremde alles zertrampelte, nur damit sie sich auf ihren fetten Hintern setzen und die ganze Nacht fernsehen könne. Er sei gemein und selbstsüchtig, keifte ihre Mum, und ob sie sich nach einem schweren Tag etwa nicht ein bisschen Abwechslung verdient hätte, wenn er stundenlang im Pub hockte?
So schwer sei ihr Tag nun auch wieder nicht, gab ihr Dad zurück, da sie doch auf der Farm keinen Finger rühre und sogar zum Putzen zu faul sei. Das ließ Violet natürlich nicht auf sich sitzen.
»Lieber faul als verrückt«, schrie sie. »Möge Gott dieser Blage da oben beistehen, mit zwei Irren als Eltern wird sie eines Tages in der Klapsmühle landen!«
Es folgte ein Geräusch, das sich wie ein Schlag anhörte, unmittelbar darauf ein Schrei von Violet und dann das Knallen der Tür, als Albert aus dem Haus stürmte. Die Mädchen hatten betroffen dagelegen und kein Wort von sich gegeben, um nicht Partei ergreifen zu müssen und sich vielleicht auch noch zu streiten.
»Ständig bekriegen sie sich«, stellte Josie traurig fest. »Sie redet schlecht über ihn, und er machts nicht anders. Deshalb will ich auch von der Schule abgehen und Geld verdienen, damit ich von hier wegkomme. Das Einzige, was ich vermissen werde, bist du.«
Ellen empfand tiefes Mitgefühl für ihre Schwester, deren Situation in gewisser Weise noch schlimmer als ihre eigene war. Ellen wusste, ihr Vater würde jede ihrer Entscheidungen, wie sie auch aussehen mochte, akzeptieren. Er wäre hocherfreut, wenn sie weiter zur Schule und anschließend aufs College ginge, würde ihr aber auch keine Steine in den Weg legen, wenn sie die Schule verließe und nach London zöge.
Violet dagegen klammerte sich an Josie wie ein Blut saugendes Insekt. Sie fragte sie Tag für Tag nach der Schule und ihren Freunden aus und setzte Erwartungen in sie, die Josie niemals würde erfüllen können. Manchmal glaubte Ellen förmlich zu sehen, wie ihre Schwester unter der Last der mütterlichen Ambitionen einknickte. Das Schlimmste jedoch war, dass Josie wusste, was dahinter steckte. Violet trieb ihre Tochter nicht zum Erfolg an, damit diese es einmal besser hätte, sondern weil sie sich für sich selbst Vorteile versprach: Josie sollte sie aus ihrer unglücklichen Ehe erretten und ihr ein Leben in Wohlstand bieten.
»Wir halten zusammen, egal, was kommt«, versicherte Ellen ihr. »Überleg dir das gut mit dem Von-der-Schule-Abgehen nächstes Jahr. Dann landest du in einem Job für Ungelernte und wirst es ewig bereuen.«
Josie sah sie lange nachdenklich an. »Ich wünschte, ich wär so geduldig wie du«, bekannte sie wehmütig. »Ich möchte schöne Kleider, einen Freund und tun und lassen können, was ich will. Und ich möchte das alles jetzt sofort!«
Ellen lächelte. »Weißt du noch, als du unbedingt einen Puppenwagen haben wolltest?«
Josie grinste. Sie war damals fünf gewesen und hatte von nichts anderem mehr geredet. »Was hat das nun damit zu tun?«
»Als du ihn endlich bekamst, hast du ein paarmal damit gespielt und ihn dann nicht mehr angeschaut. Von etwas zu träumen, ist oft besser, als es wirklich zu haben. Träum doch einfach weiter und warte ab, was passiert.«
»Du bist mir manchmal richtig unheimlich.« Josie kicherte. »Wovon träumst du denn so?«
»Auch von nichts anderem als du«, antwortete Ellen. In
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