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Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
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und wenn sie sich noch so ähnlich sehen.«

8. Kapitel
     
    J osie weigerte sich, Ellen zum Bahnhof nach Truro zu begleiten, wo sie den Zug nach Bristol nehmen würde. Sie war so sauer, dass sie sich nicht einmal von ihr verabschiedete, als sie in Alberts Lastwagen kletterte, sondern in ihrem Zimmer blieb und voller Wut auf die Kissen eindrosch.
    Es war der zwanzigste Dezember. Vor einer Woche hatten sie die Weihnachtsdekoration angebracht, und ein Baum war auch schon gefällt worden und wartete darauf, geschmückt zu werden. Doch dann war vor zwei Tagen ein Brief aus Bristol mit einer Fahrkarte eingetroffen. Sie seien Ellen dankbar, wenn sie jetzt schon kommen könnte, hatten die Leute, für die sie arbeiten würde, geschrieben.
    Ellen hätte Weihnachten trotzdem noch zu Hause verbringen können, aber sie wollte fort, Josie fühlte es. Es hätte ihr nichts ausgemacht, wenn Ellen im Januar fortgegangen wäre. Sie selbst hatte ohnehin geplant, am zweiten Weihnachtsfeiertag für den Rest der Ferien zu Onkel Brian zu fahren. Doch jetzt war alles im Eimer. Ihre Mum hatte es sich plötzlich anders überlegt und wollte sie nicht mehr fahren lassen.
    Das war einfach nicht fair! Sie hatte sich schon so auf die große Silvesterparty gefreut, auf ihre Cousins, auf die Theateraufführung und all die anderen Dinge, die Onkel Brian organisiert hatte. Und vor allem natürlich auf ein Wiedersehen mit Dave.
    Josie fand ihn schlicht umwerfend mit seinem pechschwarzen Haar, den tiefbraunen Augen und den längsten Wimpern, die sie je gesehen hatte. Sie liebte seine Studentenfrisur, seinen Motorroller und den Parka mit der wolfspelzbesetzten Kapuze. Im Sommer hatten sie eine Spazierfahrt mit dem Roller unternommen, und das war das Aufregendste gewesen, was sie je erlebt hatte – abgesehen von seinen Küssen natürlich.
    Jetzt behauptete ihre Mum, sie müsse hier bleiben, weil es nicht richtig sei, dass ihr Vater zum Fest der Familie keine seiner Töchter um sich hatte. Als interessierten sie seine Gefühle! In Wirklichkeit hatte sie doch nur Angst davor, mit ihm allein zu sein.
    In den vergangenen Monaten hatte Josie sie nachts oft streiten hören. Warum er ihr nicht ein bisschen Geld gebe, damit sie fortgehen und woanders neu anfangen könne, hatte ihre Mum gefragt, er liebe sie doch sowieso nicht. Worauf ihr Dad erwidert hatte, er habe aber kein Geld. Ihre Mum hatte wiederum entgegnet, dann solle er doch die Farm verkaufen. Es war immer das Gleiche. Die Farm sei seit drei Generationen in Familienbesitz, brüllte ihr Dad, und er werde sie nie, niemals verkaufen.
    Manchmal war das Geräusch von Schlägen und zerbrechendem Geschirr zu hören, und Josie wusste, wären Ellen und sie nicht im Haus gewesen, wären die Auseinandersetzungen noch viel heftiger ausgefallen. Violet wollte sie, Josie, nicht deshalb bei sich haben, weil ihr die Trennung von ihrer Tochter so schwer gefallen wäre, sondern weil sie die Folgen fürchtete, wenn sie Albert zu sehr in Rage brachte.
    Josie hörte den Lastwagen den Weg hinaufrumpeln. Ihre Mum kehrte in die Küche zurück, um den Weihnachtskuchen fertig zu glasieren. Am liebsten wäre sie hinuntergegangen und hätte ihr gesagt, dass Ellen nur deshalb nach Bristol ging, weil sie ein Baby erwartete, aber so sehr sie ihrer Schwester in diesem Moment auch zürnte – das konnte sie ihr nicht antun.
    Während ihres Aufenthalts in Helston hatte sie einen Eindruck davon bekommen, wie das Leben in einer normalen Familie aussah. Man redete miteinander, sah gemeinsam fern, unternahm etwas zusammen, neckte sich und zeigte offen seine Zuneigung. Wieder zu Hause, hatte sie begriffen, warum ihre Eltern ihr immer merkwürdig und so anders als andere Leute vorgekommen waren: Es lag weniger an dem harten Leben auf der Farm und an der Isolation, sondern vielmehr daran, dass es keine Liebe, nicht einmal Freundschaft oder gemeinsame Interessen zwischen ihnen gab. Josie konnte den Hass zwischen ihnen förmlich fühlen, und sie verabscheute sie dafür, dass sie damit leben musste.
    Sie legte sich im Bett auf den Rücken und blickte sich angewidert um. Ihre Mutter hatte sie in dieses Zimmer, das jahrelang leer gestanden hatte, umquartiert. Sie hatte die Wände rosarot gestrichen, neue Vorhänge und einen Rüschenüberzug für die wacklige, zerschrammte alte Frisierkommode genäht und gemeint, Josie müsse begeistert und dankbar sein. Doch Josie wäre lieber in ihrem alten Zimmer, das sie mit Ellen geteilt hatte, geblieben, wo

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