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Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
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verdrießliche Gesicht ihres Vaters. Sicher, sie war durch die Zentralheizung inzwischen verwöhnt, aber sie verstand trotzdem nicht, warum ihre Eltern so mit Brennholz geizten und Fenster und Türen nicht besser abdichteten. Was sollte aus ihnen werden, wenn sie älter wurden? Sie wünschte, es könnte ihr einfach gleichgültig sein.
    An den darauf folgenden beiden Sonntagen erschienen weitere Artikel in der gleichen Zeitung. Dann, Ende Januar, wurde ein Foto von Josie abgedruckt, auf dem sie außer einem Herrenhemd fast nichts trug. Die Schlagzeile lautete:
Wir haben Sie!
    Mark Kinsale hatte sie in einem Studio in West London entdeckt, wo sie zusammen mit vielen anderen Mädchen für Männer posierte, die sich als Fotografen ausgaben.
    Josie sah so hübsch, so hinreißend aus, dass Ellen zunächst unwillkürlich stolz auf sie war. Doch dann las sie den Artikel, und ihr Stolz schlug in tiefe Besorgnis um. Das klang alles so furchtbar schmutzig.
    Später an diesem Tag rief ihr Vater von der Telefonzelle im Dorf aus an. Er war es nicht gewohnt zu telefonieren und schrie in den Hörer, dass Ellen dachte, ihr würde gleich das Trommelfell platzen. »Hast du das gesehen?«, brüllte er ein ums andere Mal, obwohl sie jedes Mal bejahte. »In ein paar Stunden wird das ganze Dorf darüber reden.«
    Es gelang ihr nicht, ihn zu beruhigen.
    Die Sandersons hingegen schienen keineswegs schockiert zu sein. »Reg dich nur nicht auf«, meinte Roger. »Solche Reportagen werden gedruckt, um die Auflage zu steigern; da wird alles übertrieben und ausgeschlachtet. Du kannst dein Leben drauf verwetten, dass das eine abgekartete Sache zwischen dem Fotografen und der Zeitung ist. Wenn Mark Kinsale ein anständiger Kerl wäre, hätte er Josie in den ersten Zug nach Hause gesetzt, anstatt sie mit seiner Kamera zu verfolgen.«
    Der krasse Gegensatz zwischen dieser Einstellung und der ihres Vaters verwirrte Ellen. »Aber wozu das alles?«
    »Kinsale wird sie zu vermarkten versuchen, könnte ich mir denken«, bemerkte Shirley versonnen. »Er ködert die Leute mit diesem Bild, und ich fresse einen Besen, wenn es das letzte ist. Jede Wette, dass er überzeugt ist, eine zweite Twiggy oder Jean Shrimpton entdeckt zu haben. Und ich glaube, das hat er auch. Josie sieht besser aus als beide zusammen.«
    Wie sich in den nächsten Monaten herausstellte, sollten die Sandersons Recht behalten. Immer wieder tauchten Fotos von Josie in Zeitungen und Illustrierten auf. Sie wurde zu einer Art Aschenputtel aufgebaut: die arme kleine Farmerstochter, die in der Großstadt ihr Glück versucht. Ellen amüsierte sich zwar über die Aufnahmen, die Josie (oder Jojo, wie sie genannt wurde) in ausgeflippten Klamotten in der Londoner Carnaby Street zeigten, war aber entsetzt und schockiert über das, was über ihr Zuhause geschrieben wurde.
    Demzufolge war Josie weggelaufen, weil sie die Misshandlungen und die Not nicht mehr hatte ertragen können. Sogar Fotos von der Farm wurden veröffentlicht, und der Fotograf hatte sich alle Mühe gegeben, damit sie recht schauerlich wirkte. Auf einem Bild war Violet zu sehen, wie sie die Hühner fütterte. Sie war heimlich fotografiert worden und sah einer schmuddeligen Schreckschraube noch ähnlicher als in Wirklichkeit.
    Ellen freute sich für Josie, weil ihr Kindheitstraum von einer Karriere als Model sich tatsächlich zu erfüllen schien. Und doch schämte sie sich auch für sie, weil sie es zuließ, dass ihre Eltern in einem so ungünstigen Licht dargestellt wurden.
    Ihr Vater rief nicht wieder an. In den kurzen Briefen, die er ihr schrieb, erwähnte er Josie mit keiner Silbe. Von Mavis Peters erfuhr Ellen, dass Violet völlig verzweifelt war und Albert sich noch mehr abkapselte; er ging am Wochenende nicht einmal mehr in den Pub. Sie berichtete auch, Violet sei zu ihr gekommen und habe sie um Hilfe gebeten. Gemeinsam hätten sie einen Brief an Josie verfasst und an die besagte Sonntagszeitung geschickt, mit der Bitte, ihn weiterzuleiten. Violet habe Josie darin angefleht, ihr ihre Adresse mitzuteilen, weil sie sich die allergrößten Sorgen um sie mache.
    Es schien, als hätte Josie auch sie selbst aus ihrem Leben gestrichen: Ellen hörte nichts mehr von ihr. Dennoch schnitt sie alle Zeitungsartikel über ihre Schwester und die ersten Anzeigen, in denen sie für Shampoo warb, aus und klebte sie in ein Album ein. Auf diese Weise fühlte sie sich ihr nahe.
    An einem Julimorgen trafen gleich zwei Briefe für Ellen ein. Der eine

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