Wer aaahh sagt...
meinte ich.
Sie lehnte sich über den Tisch und verkündete: »Weil sie das Kernstück der Weiblichkeit ist.«
Miss Tankerton war dick, trug eine Brille mit runden Gläsern und war so weiblich wie ein japanischer Sumo-Ringer.
»Ein sehr schöner Gedanke«, stimmte Sandra zu.
»Ich hab die Gebärmutter immer als die Goldgrube der Frauenärzte angesehen.«
»Typisch männliche chauvinistische Medizin!« entgegnete Miss Tankerton verächtlich und verspritzte ihre vinaigrette.
Sandras Blick gab zu erkennen, daß sie wußte, warum ich vor dem Essen ein paarmal in die Küche geschlichen war, nämlich, um mir aus der Flasche, die ich heimlich im Tellerschrank versteckt hatte, einen Glenfiddich zu genehmigen. Sie hatte mich gewarnt, mich nicht so zu benehmen wie bei dem Besuch ihres Bruders George letzte Weihnachten.
»Die Männer wissen über die Gebärmutter genauso wenig Bescheid wie über Geburtsstellungen, lesbische Mutterschaft, Frauen gegen die Atombombe und Vollwertkost.«
»Sicherlich nicht«, stimmte ich ihr zu.
»Künstliche Befruchtung!« rief sie aus. »Ja, danke, ich nehme noch einen Schluck von dem Chablis. Wie entsetzlich unästhetisch es ist, die Gebärmutter so zu befruchten, als drücke man Zahnpasta aus der Tube. Der Augenblick der Empfängnis sollte ein Augenblick der Ekstase sein.«
»Eine weitverbreitete Ansicht«, pflichtete ich ihr bei.
»Die göttliche weibliche Funktion der Gebärmutter besteht darin, die Frucht menschlicher Leidenschaft zu nähren«, sagte sie, während sie energisch ihre Avocado ausschabte.
»Leihmütter! Seine Gebärmutter auf dem freien Markt zu verhökern, das ist ein Schlag ins Gesicht der Weiblichkeit! Oh, Nierenpudding! Sandra, wie lieb von dir!«
Ich fragte mich, wann ich wohl einen Ausflug in Richtung Blue Boar wagen konnte, um frische Nachtluft zu schnappen.
»Gebärmütter aller Länder vereinigt euch!« erklärte Miss Tankerton. »Die Schwesternschaft des Mutterleibes ist weltweit und umfassender als die Römisch-Katholische Kirche und der Kommunismus zusammen. Vernünftiger organisiert, wäre sie ein überwältigender Machtfaktor in den Geschicken dieser Erde. Stell dir das doch nur einmal vor, Richard! Eine von Frauen regierte Welt an Stelle dieses widerwärtigen Männerparadieses. Keine Kriege mehr, keine Terroristen, keine Verbrecher, alle in zärtlicher Liebe vereint«, erklärte sie. Ihre Augen strahlten. »Sandra, der Pudding ist einfach köstlich! Obwohl ich gar nicht an die vielen Kalorien denken darf.«
Ich fragte mich, ob sie vielleicht geistesgestört war. Aber die Menschen sind immer am dümmsten, wenn sie versuchen, besonders gescheit zu sein.
»Was hältst du von den Schwulen, Richard?«
»Viele von ihnen sind gar nicht schwul«, antwortete ich sanft. »Sie versuchen nur, auf sich aufmerksam zu machen, wie ungezogene Kinder. Die übrigen sind nur emotionell unreif. Der biologische Drang kann noch so stark sein, aber man braucht doch ein gewisses Maß an Weltgewandtheit, um vor einer fremden Frau die Hose runterzulassen.«
Sie sah mich schockiert an. »Die Ärzte leben immer noch im vorigen Jahrhundert.«
»Oh, es gibt einen Verband homosexueller Ärzte, weißt du«, informierte ich sie. »Sie kennen sich gut aus, was Aids betrifft. Ich glaube, letzten Sommer hatte ich einen von ihnen als Urlaubsvertretung. Er gab sich ungeheure Mühe, seine Neigung zu verbergen, und ich strengte mich ebenso sehr dabei an, so zu tun, als merkte ich es nicht. Viel wertvolle Zeit wurde dabei verschwendet.«
»Noch ein Glas? Ja, danke. Die Macht der Gebärmutter, Richard. Eine Macht, eine die mehr Furcht erregen könnte als die Atombombe.«
Sandra seufzte: »Solche Dinge bekomme ich zu Hause nie zu hören.«
Mir kam der Gedanke, daß Belinda im Blue Boar natürlichere Ansichten über die Gebärmutter hatte als Miss Tankerton, wahrscheinlich auch natürlichere als das gesamte Warnock-Komitee. Wenn jemand seine Gebärmutter verleihen wollte, warum nicht? Es war praktisch wie eine Adoption mit Vorkaufsrecht.
Während sich Sandra weiterhin von Miss Tankertons Sprüchen berieseln ließ, fragte ich mich, ob ich es wagen konnte, als der ehrliche Baby-Makler zwischen Belinda und den Cluffs zu fungieren. Der junge Kevin war doch so intelligent, Belindas Mann Brian dagegen nicht gerade eine Leuchte - da mußten Belindas Gene eigentlich leicht absetzbare Ware sein. Sollte ich das zweite Verbrechen innerhalb von drei Monaten begehen? Die finanzielle Seite der
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