Wer Boeses saet
nach Herzenslust austobte?
Die Suche ging weiter. Sie würden tiefer graben müssen. Immer tiefer. Bis sie die Erklärung finden würden.
Er ging ins Internet. Immer noch die gleiche Methode. Posteingang. Nichts oder fast nichts. Lesezeichen. Bingo! Eine Website mit dem Namen »horror.com«!
François klickte sie an. Grauer Hintergrund. Rote Flecken. Beilagen. Werbebanner. Laut den Betreibern die Enzyklopädie des Genre-Kinos. Sämtliche Produktionen waren dort verzeichnet, von den berühmten Filmen bis zu den Geheimtipps. Und dazu gab es noch Kritiken, Trailer, Stellungnahmen und eine beeindruckende Dokumentation.
Julias Kommentar lautete:
»Dieser Junge war fasziniert von Trash-Filmen. Der ist völlig durchgeknallt.«
»Fragte sich nur, wie sehr. Wir brauchen noch mehr Einzelheiten.«
Der Kommissar suchte weiter. Was war sonst noch drauf auf dem Computer? Gelöschte Verbindungen? Verschleierte Fährten? Ein Link zum Mörder?
Es war sinnlos, wenn sie mit dem Versuch, die Maschine zum Reden zu bringen, ihre Zeit verplemperten. Das sollten besser die Spezialisten der Kripo in die Hand nehmen. Unterdessen würde er tun, was er konnte, mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen.
Er stand auf.
»Wir hauen ab. Und die Festplatte nehmen wir mit.«
IV Natascha
50
Rückkehr nach Grenoble.
Als Ziel hatte er die einzige noch jungfräuliche Fährte im Visier.
Den Satanismus.
Das zweite Opfer hatte an schwarzen Messen teilgenommen, daher war es sehr gut denkbar, dass einer der Adepten ihn bei der Gelegenheit in die Falle gelockt hatte. Bei dem mönchischen Leben, das Pierre Jacquet führte, waren die Orte, an denen er entsprechende Leute hätte treffen können, zahlenmäßig recht überschaubar.
François hatte Kellermann bereits kontaktiert, um seine Ankunft zu melden. Der Grenobler war durch einen Anruf von Hénon darüber informiert worden, dass der Fall den Rahmen eines einfachen Mordes sprengte. Dass man ihm zuvor eine kleine Lüge serviert hatte, kommentierte er nicht weiter.
Marchand hatte sich trotzdem dafür entschuldigt. Er hatte noch einmal auf seine Anweisungen zur Geheimhaltung hingewiesen, ihn gefragt, ob er so schnell wie möglich einen Computertechniker für ihn auftreiben könnte, und ihn gebeten, eine Recherche zu starten, um herauszufinden, welche Teufelsanbeter es in der Gegend gab. Der Leiter der Regionalabteilung der Kripo von Grenoble hatte die Gelegenheit genutzt, ihm seine bisherigen Ergebnisse mitzuteilen. Die Untersuchung der Gartenbaumärkte und die Nachbarschaftsbefragung hatten nichts gebracht. Was für diesen Tatort aber auch bezeichnend war.
Die Experten von der Spurensicherung hatten den Schuhabdruck analysiert, den man in der Nähe des Zauns gefunden hatte. Im Grunde waren es zwei. Mokassins und Stiefel. Direkt übereinander. Als wären die Eindringlinge mit Absicht genau an derselben Stelle abgesprungen.
Die Untersuchung der Rillen hatte es ermöglicht, die Herkunft der Mokassins zu bestimmen: Es handelte sich um die des Opfers. Die Stiefel dürften dem Mörder gehören. Oder, wie François mittlerweile vermutete, einem weiteren Treiber. Diese Entdeckung war zumindest der Beweis dafür, dass es sich um eine gemeinsame Aktion gehandelt hatte. Sie zeigte, dass Pierre Jacquet seinem Führer freiwillig bis zur Folterstätte gefolgt war.
Der zweite Erfolg war, dass man auf der anderen Seite des Zauns Spuren von Reifen gefunden hatte. Von einem Motorrad. Unmöglich, das Modell zu bestimmen. Aber angesichts der Breite der Spur dürfte es eine schwere Maschine gewesen sein. Jetzt wussten sie, wie Pierre zu der Verbrennungsanlage gefahren war.
François stellte die Heizung höher. Ihm war eiskalt, und es wurde ihm einfach nicht wärmer. Er spannte reflexartig seine Muskeln an und ließ seinen Blick über die nächtliche Szenerie wandern. Die Schutzplanken leuchteten auf wie Blitzlichter. Die Scheinwerfer tanzten einen endlosen Reigen. Die Stille war tief, nur harmonische Paare können so etwas ertragen. Sie genossen beide den Moment, versunken in ihre Gedanken.
In diesem Moment dachte der Profiler nicht mehr an die Ermittlung, an diesen gigantischen Wahnsinn, der offenbar einfach nicht enden wollte. Er dachte an Charlotte, an ihren Streit vom Vortag. Seine Tochter war groß geworden. Sie war gerade erst siebzehn Jahre alt, aber sie beobachtete ihn und fällte eigene Urteile. Er war nicht mehr der idealisierte Vater, der sie mit einem bloßen Wort beruhigen konnte. Er war nur
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