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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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Ecke lag eine Frau, den Blick ins Leere gerichtet. Zwischen ihren Beinen sah man eine Nadel und einen Arterienabbinder aus Gummi liegen. Daneben schliefen ein etwa fünf Jahre altes Kind und ein vielleicht sechs Monate altes Baby.
    In den anderen Zimmern sah es genauso dreckig und erbärmlich aus. Zugedröhnte Junkies, Säufer, die in ihrem Erbrochenen lagen, zahllose lebende Tote, die langsam in die Finsternis abglitten. In einem der Zimmer war ein bis zum Skelett abgemagerter Mann damit beschäftigt, mit einem Klappmesser die Wand mit Schnitzereien zu verzieren. Hin und wieder hielt er inne, betrachtete sein Werk und schlug dann mit der Stirn gegen die Wand. Jeder Aufprall hinterließ Blutspuren an der Wand wie eine Art abstrakte Malerei. Crack, dachte François. Kein Gefühl mehr, kein Schmerzempfinden, nur noch eine gegen die eigene Person gerichtete Wut.
    Nach diesem Horrorkabinett kam noch eine Wendeltreppe, nur ein paar Stufen, vor denen sich ein Dicker breitgemacht hatte. Er saß auf einem Stuhl und schlief. Es war unmöglich, an ihm vorbeizukommen.
    Der Kommissar stieß ihn mit der Fußspitze an.
    »Aufwachen!«
    Der Mann fuhr zusammen.
    »Hä?«
    »Ist der Pitbull da oben?«
    »Wer sind Sie?«
    François hielt ihm den Ausweis unter die Nase.
    »Polizei.«
    »Was ist …«
    »Immer mit der Ruhe. Wir sind Freunde von Pater Marcel und wollen mit deinem Chef sprechen.«
    Der Dickwanst stand auf. Ein guter Zentner Fett, beeindruckender, als der Polizist sich das vorgestellt hatte. Er musterte die Neuankömmlinge mit misstrauischem Blick und zückte sein Handy.
    »Einen Moment.«
    Er machte einen Anruf. Zwei Sätze, in denen er den Grund für die Störung nannte, dann Pause. Schließlich entspannte er sich.
    »Ist in Ordnung. Gehen Sie hinauf.«
    28
    Die Festung.
    Ein fensterloser Raum, zwei Zugänge. Der, durch den sie gekommen waren, und ein weiterer ganz hinten, der wahrscheinlich für den Notfall gedacht war. Das Mobiliar war schlicht, machte jedoch im Vergleich zu den unteren Stockwerken einen luxuriösen Eindruck.
    »Marcel? Was hat der denn mit Ihnen zu schaffen?«
    »Er ist seiner Bürgerpflicht nachgekommen.«
    »Er hat gepetzt, wolltest du sagen?«
    Der Pitbull trug seinen Namen zu Recht. Rasierter Schädel, plattes Gesicht und ein Hundehalsband um den Hals. Er sprach nicht, er bellte. Trotz der Kälte trug er ein ärmelloses T-Shirt, das zwei sehnige und muskulöse Arme zur Schau stellte. Eine komplizierte Tätowierung zog sich von der linken Schulter bis zum Handgelenk. Er saß in einem antiken Sessel und reinigte sich mit einem Jagdmesser mit Wellenschliff die Fingernägel. Fünf oder sechs Rattengesichter umringten ihn und schauten grimmig.
    Der Kerl hatte überhaupt nichts Heruntergekommenes. Er war gerissen. Er benutzte die Kommune der Hausbesetzer für seine Schiebereien und terrorisierte die Bewohner vermutlich. Der Penner aus dem Erdgeschoss schien ihn nicht sehr zu schätzen. François verstand jetzt besser, warum nicht.
    »Über Pater Marcel werden wir uns ein andermal unterhalten. Weißt du was über Pierre Jacquet?«
    »Wen?«
    »Den Jugendlichen, der sich am Montagabend hat grillen lassen.«
    »Ich lese keine Zeitungen.«
    »Solltest du aber. Er hat sechsunddreißig Messerstiche abbekommen. Eine echte Schlächterei.«
    »Und was geht mich das an?«
    »Ich ermittle in diesem Mordfall. Und nach dem, was der Pfarrer gesagt hat, hat er sich offenbar bei dir herumgetrieben.«
    Damit war klargestellt, wer hier das Sagen hatte. Bei einem Typen wie ihm brauchte man nicht um den heißen Brei herumzureden. Der respektierte nur Gewalt. François musste klarstellen, dass er keine Angst vor ihm hatte.
    Der Pitbull rieb sich den Schädel.
    »Warte mal … Du willst mir da doch nicht gerade verklickern, dass ich ihn zu den Englein geschickt habe?«
    »Warum nicht? Wäre dir das unangenehm?«
    Schweigen. Er starrte den Polizisten ein paar Sekunden an, sodass man das Gefühl hatte, er werde gleich ausrasten. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. Wie auf Befehl stimmte der Rest der Bande ein.
    »Du bist ja vielleicht ein Komiker«, sagte er schließlich.
    »Wenn du meinst.«
    »Jou … Schaut ganz so aus… Gibt ja sogar Nutten, die mit Schlagstöcken rumlaufen. Glaubst du, die stecken sie sich in den Arsch?«
    Immer noch lächelnd, musterte er Julia von oben bis unten. Das war eine Provokation. Ein simpler Test.
    »Weißt du, was sie dir darauf erwidert, deine Nutte?«
    Die Reaktion war zu schnell

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