Wer Braucht Schon Eine Gucci-Tasche
Großvater, war eine lebende Legende. Als einer der letzten Vertreter einer Generation von Königsmachern hatte er Firmen und Menschen mit unvergleichlichem Instinkt und Geschäftssinn ge- und verkauft. Er war einer der Männer, von denen die Leute stets mit ehrfurchtsvoll gesenkter Stimme sprachen, teils aus Bewunderung, teils aus blanker Angst.
Und Ethan war seine rechte Hand.
Allein die Vorstellung war schier unfassbar – ich fühlte mich wie Cinderella, der schlagartig bewusst wurde, dass sie mit einem Prinzen tanzte. Dem Prinzen von Manhattan. Wenn mich jemand mit einer Nadel piekste, würde mein Blut damit wohl als blau gelten. Doch ich blickte auf eine nicht minder eindrucksvolle Reihe aufrechter griechischer Vorfahren großväterlicherseits zurück. Und wenn ich ganz ehrlich war, erfüllten sie mich mit noch größerem Stolz. Wie ich schon sagte – ich gehöre nicht zu denen, für die gesellschaftlicher Status und Herkunft von Bedeutung sind. Dennoch ging ich mit dem Erben einer der größten Konzerne in Privatbesitz aus.
»O mein Gott« traf es nicht einmal ansatzweise.
»Und er hat kein Wort davon gesagt?«
»Nur dass er für die Firma seiner Familie arbeitet. Wenn ich nachgedacht hätte, dann hätte ich wohl eins und eins zusammenzählen können. Er erwähnte, dass er beruflich in Europa und in Asien war. Und dass sein Großvater mit Stahl angefangen hätte.«
»Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass er Stahl ist .« Selbst Bethany klang belustigt.
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte ich und starrte noch immer auf Ethans lächelndes Gesicht auf dem Foto.
»Gar nichts. Es ist ein ziemlicher Schock, aber ändern tut es rein gar nichts.«
»Spinnst du? Es ändert alles.«
Okay, ich weiß, was Sie jetzt denken. Dass ich der schlimmste Anti-Snob aller Zeiten bin. Und vielleicht bin ich das auch. Aber Sie dürfen nicht vergessen, wo ich herkomme. Mag sein, dass meine Großmutter die Zurückweisung meines Urgroßvaters nicht weiter kümmerte. Meinen Großvater hingegen schon. Er verabscheute die Vorstellung, dass Geld und Herkunft so etwas Fundamentales wie die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter beeinträchtigen könnten. Und deshalb war er fest entschlossen, seine Töchter nach anderen Wertmaßstäben zu erziehen.
Natürlich funktioniert so etwas selten so, wie man es sich vorstellt. Meine Mutter, das Flittchen, war viel zu nachgiebig. Ihr hätte eine etwas strengere Hand gewiss gutgetan und sie auf einen völlig anderen Lebensweg geführt. Und Althea … nun ja, sie schien die Überzeugungen ihres Vaters zugunsten der Vorstellungen meines Urgroßvaters über Bord gekippt zu haben – »Gleich und Gleich gesellt sich gern« und all das.
Was ich damit sagen möchte, ist, dass Niko Sevalas kein Mann war, der viel auf Zeremonien gab. Seiner Ansicht nach bestimmte sich der Wert eines Menschen nicht nach seiner Herkunft, sondern nach seinem Charakter. Und er war der festen Überzeugung, dass die Mehrzahl der Leute, die die High Society bilden, nicht damit gesegnet ist.
Und in diesem Punkt kann ich ihm nur zustimmen.
Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war, musste ich zugeben, dass ich auf Dillon deshalb so wütend war, weil er mich für eine Frau wie Diana Merreck verlassen hatte. Und auf Bethany, weil sie sich mit Althea und Michael Stone eingelassen hatte. Während ich mit der Crème de la Crème ausgegangen war. Einem Spross der Mathias-Familie. Und nicht nur irgendeinem, nein, sondern mit demjenigen, der eines Tages das Firmenimperium und damit das Königreich übernehmen würde.
Was mich … wozu machte? Zur Kronprinzessin von Manhattan?
Wahrscheinlich drehte sich mein Großvater in diesem Moment im Grabe um.
Kapitel 11
Der Mai ist immer ein besonders heikler Monat in Manhattan. Es ist, als könnte sich das Wetter nicht recht entscheiden. Am einen Tag ist es lau und frühlingshaft, am nächsten stürzt die Temperatur in den Keller, und dicke Regentropfen prasseln auf die sprießenden Blumen und Frühlingskleider herab. Wie auch immer – der Zwiebellook und ein Regenschirm sind definitiv empfehlenswert.
Zum Glück hatte sich dieser Tag als wunderschön und warm entpuppt. Zur verabredeten Zeit standen Bentley und ich geschniegelt und gebügelt (okay, das trifft wohl eher auf mich als auf Bentley zu) vor dem Shake Shack.
Wie der Name ahnen lässt, gehören Burger und Shakes zu den Spezialitäten des Hauses, außerdem gibt es hier das beste Frozen Custard, das ich je probiert habe.
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