Wer den Tod ruft: Thriller (German Edition)
lächelte. »Und Sie wollen wirklich nichts essen?«
»Nein, danke.«
Wieder starrte sie auf die Libelle. Sie musste etwas bedeuten. Vielleicht sogar etwas Wichtiges.
Als die Kellnerin zurückkam, hatte sie schon das Blatt mit den Fotos bereitgelegt.
»Könnten Sie mir helfen? Ich suche jemanden. Haben Sie einen dieser Typen schon mal gesehen? Vielleicht als Rucksacktourist?«
Die Kellnerin stellte den Kaffee ab und betrachtete die Fotos. Misstrauisch blickte sie zu Elaina. »Das sind Polizeifotos.«
»Richtig.«
»Dann sind Sie wohl Polizistin?«
Elaina sagte nichts. Und Pippi überlegte hin und her. Sollte sie ihr helfen? Oder besser nicht? Sicher hatte sie jemanden erkannt. Sonst würde sie nicht so lange zögern.
Liebe Pippi Langstrumpf. Sei gnädig und gib mir eine Chance.
»Ich kenne keinen.«
»Das kann doch nicht sein. Alle diese Kerle sind vor kurzer Zeit hier durchgekommen«, sagte Elaina. Ob das stimmte? Sie behauptete es einfach. »Bestimmt haben Sie ein paar von ihnen schon mal gesehen.«
Sie biss auf die Lippen und blickte um sich.
Elaina hielt den Atem an.
»Dieser hier …« Sie tippte mit dem schwarzen Fingernagel ihres Zeigefingers auf das Bild ganz unten links. Das war Noah Neely. Ein Junge mit blonden Dreadlocks, der sich am ersten Tag ihrer Recherche im Yachthafen herumgetrieben hatte. »Er hat in der Jugendherberge auf der anderen Straßenseite übernachtet. Beim Spring Break.«
»Beim Spring Break? In diesem Jahr?«
»Ja.« Wieder blickte sie um sich. Sie schien nervös zu sein. Ein Mann mit einer roten Baseballmütze starrte Elaina und die Kellnerin an.
Sie schüttelte den Kopf. »Wie er heißt, weiß ich nicht.« »Er war oft hier. Seine Trinkgelder waren mies. Deshalb erinnere ich mich an ihn.«
Elaina schüttete den Kaffee in sich hinein und gab der Kellnerin ein fürstliches Trinkgeld, inklusive ihrer Karte. Gestärkt und mit neuem Tatendrang machte sie sich auf den Weg zum Jugendhotel. Endlich eine Spur. Neely passte nicht nur in ihr Profil. Er hatte auch zugesehen, wie der Sheriff eines der Opfer aus dem Boot abgeladen hatte.
Einige Täter lieben es, die Arbeit der Polizei an ihrem Fall zu beobachten. Manche greifen sogar in die Ermittlungen ein. Die Worte ihres Vaters fielen ihr ein. Sie war wieder voller Zuversicht.
An der Rezeption der Jugendherberge musste man zwanzig Dollar hinterlegen. Aber keinen Ausweis.
»Decken?«, fragte sie der Geschäftsführer.
»Wie bitte?«
»Decken. Brauchst du Decken? Für dein Bett.«
»Sí, gracias.«
»Zehn Dollar.«
Elaina steckte ihm den nächsten Geldschein zu, zog den zerknitterten Plan des Taxifahrers aus der Handtasche und rieb ihn auf dem Resopaltisch glatt.
»Kennen Sie noch andere veterinarias als die hier?«, fragte sie ihn.
Er setzte seinen Kennerblick auf. »Zehn Dollar.«
Der nächste Schein war fällig. Mit einem Kugelschreiber, der hinter seinem Ohr steckte, malte er ein großes dickes X ein paar Blocks von der Hauptstraße entfernt. »Billige drogas .«
Endlich ging es voran. Sie war aufgeregt. Und hier im Jugendhotel gab es sicher nur Mehrbettzimmer. Sie nahm sich vor, auch ihre Zimmergenossinnen ordentlich auszuquetschen.
» Gracias« , sagte sie. »Die Decken hole ich mir später ab.«
Draußen war es noch immer heiß. Sie machte sich auf den Weg durch ein paar Seitenstraßen und orientierte sich an ihrem Plan. Es wurde dunkel. Einige Geschäfte schlossen gerade. Viele Händler packten ihre Waren ein und zogen die Aluminiumgitter an ihren Läden herunter. Elaina ging weiter. Noch vier Blocks. Es gab jetzt weniger Geschäfte. Der Straßenlärm von der Hauptstraße war kaum noch zu hören. Nirgends eine veterinaria. Nirgends eine farmacia . Nicht mal eine Boutique für Modeschmuck. Nur mit Graffiti beschmierte Hauseingänge, in denen stinkenden Mülltonnen standen.
Das war keine Touristengegend. Vielleicht sollte sie kehrtmachen.
Sie drehte sich um. In einem Hauseingang blitzte etwas Rotes auf. Sie zögerte kurz, dann ging sie weiter. Hier trieben sich keine Collegekids, Rucksacktouristen, sonnengebräunten Ladies oder Ausflügler mit Strohhut herum. Sie fasste ihre Handtasche am Riemen. Ihr Ziel war eine Kreuzung. Nicht gerade nahe. Aber dort waren Menschen, Ampeln und viel Verkehr. Auf die Plätze …
Psst. Psst.
Die Stimme kam von hinten.
Psst. Psst.
Sie ging schneller.
Psst. Psst.
Vergiss die Kreuzung. Zwei Blocks weiter war ein Laden, der T-Shirts verkaufte. Bis dahin musste sie es
Weitere Kostenlose Bücher