Wer den Tod ruft: Thriller (German Edition)
fragte sie, »wie sehen die aus?«
»Sie meinen die caches ? Da ist alles möglich und alles erlaubt. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Manche sehen aus wie Felsen oder Pflanzen, sind aber nur Attrappen, in denen der Schatz versteckt ist. Meistens benutzt man aber Kisten oder Schachteln. Am beliebtesten sind Waffenkisten. Viele der ersten Spieler waren Waffennarren, Mitglieder der National Rifle Association , oder ganz einfach Freaks, die sich für Polizeiarbeit interessierten.«
Elaina konnte ihr Herz geradezu schlagen hören. Waffennarren. Freaks, die sich für Polizeiarbeit interessieren. »Und eine luftdichte Plastikschachtel, die mit einem Gummiband verschlossen ist? Käme die auch als cache in Frage?« Sie erinnerte sich daran, wie sie die Schachtel in der Abendsonne entdeckt hatte.
»Warum nicht?«, sagte er. »Haben Sie denn eine gefunden?«
»Ja, an einem der Tatorte.«
»Tatsächlich? Aber ich gehöre jetzt nicht zum Kreis der Verdächtigen?«
»Nein.« Noch einmal las sie die bedeutungslosen Worte auf dem Bildschirm. »Und wenn es der Killer auf diese Cyberschatzsucher abgesehen hat?«
Ben riss die Augen auf.
Vielleicht hatte sie sich gerade zu weit vorgewagt. »Das ist nur eine Theorie. Keine Ahnung, wie die Verbindung genau aussieht.«
»Wow. Das ist ja …« Er sah auf den Bildschirm. »Wow.«
»Kann man herausfinden, wer die caches besucht?«
»Normalerweise enthalten sie Logbücher, in die sich jeder Besucher einträgt. Aber bei diesen Hardcoreverstecken? Wer möchte schon, dass sein Name mit diesem nicht gerade legalen Schmuggelgut in Verbindung gebracht wird? Online funktioniert das anders. Das ist eher eine geschlossene Gesellschaft. Da schrecken die Spieler weniger davor zurück, von ihrer Suche zu berichten.«
»Wie meinen Sie das?«
Er rief eine neue Seite auf. »Die meisten stellen nach ihren Besuchen Kommentare ins Internet.« Er deutete auf den Bildschirm. »Hier zum Beispiel: Ganz schön hinterhältig dieser Hinterhalt. Oder: Versteck, erste Sahne . Da geht eine Menge Dialog hin und her. Aber Verstecke verraten, das duldet niemand. Den cache von jemandem ruinieren, das bedeutet Platzverweis. Für alle Zeiten.«
»Ich verstehe.« Elaina überflog die Kommentare. Die Schreiber unterschrieben zum Beispiel mit Moun10, Snowkiss oder Fingerfan. »Wäre es möglich, jemanden über seinen Benutzernamen zu identifizieren?«
»Schon«, sagte er. »Aber das würde sehr aufwendig werden. Dieses Spiel wird von vielen Menschen gespielt, besonders hier.«
»Wieso gerade hier?«
»In San Marcos gibt es ein College. In Austin ebenfalls. Überall, wo viele junge Leute sind, wird das Spiel in Massen gespielt.«
Lito Island lief zur Zeit des Spring Break vor jungen Leuten geradezu über. Also …
Bens Telefon klingelte, er sah auf die Uhr, dann nahm er den Hörer ab. Elaina hatte ihn von der Arbeit abgehalten. Das konnte sie aus dem Telefonat schließen. Aber eins musste sie ihn noch fragen.
»Sie ertrinken in Arbeit«, sagte sie, nachdem er das Gespräch beendet hatte. »Sie waren zwei Wochen weg, und die Anfragen und Aufträge haben sich in der Zwischenzeit nicht von selbst erledigt.«
»Bestimmt nicht.« Er lehnte sich zurück. Sein Ton war lässig, aber seine Miene verriet, dass er sie nach dem Gespräch viel ernster nahm.
»Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte sie.
»Damit hätte ich jetzt überhaupt nicht gerechnet.«
»Lügen Sie nicht. Sie sind ein Fuchs.« Gut, das grenzte an Schmeichelei, aber sie brauchte seine Unterstützung. »Ich möchte Ihnen eine Liste mit sieben Mordopfern geben. Die Stellen, wo man sie zuletzt lebend gesehen und wo man ihre Leichen gefunden hat, sind darauf verzeichnet. Können Sie herausfinden, ob es eine direkte Verbindung zu diesem Geocaching gibt?«
» Sieben Mordopfer?«
»Ja«, sagte sie. »Und das sind nur die, von denen wir wissen. Er schlägt zurzeit so oft zu, dass wir kaum nachkommen.«
»Kennen Sie Benutzernamen der Opfer?«, fragte Ben nach einer Weile.
»Ich weiß noch nicht einmal, ob sie überhaupt irgendetwas mit diesem Spiel – oder wie immer Sie es nennen wollen – zu tun hatten. Aber die Verdachtsmomente werden stärker. Können Sie das für mich tun?«
Er lächelte verlegen. »Das Internet auf den Kopf zu stellen ist meine Spezialität.«
Elaina sah auf die Akten, die ausgebreitet auf ihrem Bett lagen. Zwei Archivboxen hatten sie bereits durchgesehen – eine fehlte noch –, aber Ric und sie hatten nicht den geringsten
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