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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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Substanzen eine Tarnkappe übergestülpt.
    Lebensmittel stellen den Analytiker also vor völlig andere Aufgaben als Wasserproben aus einem See, in dem irgendwelche gelösten Substanzen schwimmen – sei es nun Zucker, Urin oder E 605. Der Chemiker findet mit seinen Routinemethoden im Gemüse oder im Brot nur den «freien» Anteil des Stoffes, also jenen Anteil, der noch nicht «gebunden» wurde. Daraus folgt auch: Je länger er mit der Untersuchung wartet, desto mehr entzieht sich die Substanz seinem analytischen Blick. Der Anteil der «sichtbaren» freien und damit löslichen Wirkstoffe nimmt immer weiter ab, während der nicht «sichtbare», also der gebundene Anteil immer weiter ansteigt. Dies gilt nicht nur für Pestizide, sondern auch für Schimmelgifte, Arzneimittel und andere organische Substanzen.
    Konzentrationen von freien, gebundenen und Gesamtrückständen über die Zeit. Graphik: Ute Düll
     
    Darum findet das Labor nach ein paar Tagen Wartezeit selbst mit den modernsten, extrem empfindlichen Analysemethoden immer weniger und schon nach zwei Wochen praktisch überhaupt keine Pestizide mehr. Damit sind alle zufrieden: die Landwirte, die Verbraucher und die Politiker. Denn die Höchstwerte wurden ja eingehalten, wenn nicht gar unterschritten! Für teures Geld messen die Labors also präzise jenen Anteil des Pestizids, auf den es letztlich gar nicht ankommt. Die tatsächliche Pestizidbelastung der Lebensmittel liegt oft um ein Vielfaches höher, als es die Messwerte suggerieren. 1,27,31,51 Damit gerät jegliche Diskussion um Grenzwerte zur Farce – und wenn diese noch so «streng» sind. «Höchstmengen» sind in diesem Falle kein Instrument des Verbraucherschutzes, sondern der Politik.

Auf die Schliche gekommen …
    Von der Existenz gebundener Rückstände wissen die Analytiker bereits seit den 1970er Jahren. 7,35 Damals begannen ihre Kollegen in den biochemischen Labors, Stoffwechselvorgänge mit radioaktiv markierten Molekülen aufzuklären. Der Weg der markierten Substanz durch Tier oder Pflanze und gegebenenfalls auch der Verbleib von Pestiziden in Obst und Gemüse, von Arzneimitteln in Schlachtvieh oder in der Umwelt lässt sich damit recht genau verfolgen. Die Hersteller von Pestiziden oder Arzneimitteln kosten solche meist sehr aufwendigen und langwierigen Untersuchungen Millionen von Euro. Insofern sind auch Daten über die Höhe des Anteils von gebundenen Rückständen vorhanden, aber sie bleiben meist unter Verschluss.
    Manchmal werden die Gebundenen jedoch unverhofft und ungewollt sichtbar: So fanden Lebensmittelchemiker in Zuchtchampignons massive Rückstände des Halmverkürzers CCC . Halmverkürzer sind im Pilzanbau ungefähr so nützlich wie Mottenkugeln; es ist völlig sinnlos, damit Champignons behandeln zu wollen. Wie sich herausstellte, stammte das CCC aus dem Stroh, auf dem man die Pilze gezüchtet hatte. Das Getreide war auf dem Feld damit behandelt worden. Im Stroh selbst konnten die Analytiker jedoch nichts finden, es galt als «sauber». Aber Champignons haben ja die Angewohnheit, ihr Kultursubstrat mit Hilfe von Enzymen zu zersetzen, da sie sich von den Abbauprodukten ernähren. Und so setzten sie das im Stroh gebundene CCC wieder frei, das bis dahin unsichtbar für die Fachwelt in den Halmen schlummerte. 55
    Entsprechend groß fallen auch die Mengen an gebundenen Rückständen in unseren Lebensmitteln aus. Ein Beispiel: Nachdem man Radieschen mit radioaktiv markiertem Dieldrin, Permethrin und Carbofuran behandelt hatte, ließen sich darin 24, 29 bzw. 92 Prozent der ursprünglich aufgebrachten Menge in gebundener Form als Rückstände anhand ihrer Markierung nachweisen. Das ist ein Vielfaches dessen, was an freien Rückständen gefunden wird, denn diese Werte liegen meist nur bei wenigen Promille. Nicht anders sieht es bei vielen anderen wichtigen Pestiziden aus, die bei allen möglichen Lebensmitteln ermittelt wurden, darunter phosphororganische Gifte wie Malathion und Primiphos, chlororganische wie DDT , aber auch Carbamate, Pyrethroide, Triazine, und so weiter, und so fort. 17,18,22,27,29,31,34,38,39

Nicht messbar, aber wirksam
    Hersteller und Behörden beruhigen die Öffentlichkeit damit, dass von den gebundenen Rückständen in Lebensmitteln nur ein geringes Risiko ausgehe. Manche versteigen sich sogar zu der Behauptung, der Körper könne die Gebundenen gar nicht aufnehmen. Doch was ein paar Pilze im Kompost schaffen, gelingt erst recht der komplexen Mikroflora mit

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