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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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jetzt aber begriffen hat, was die Berliner wollen, erzählt er ihnen vom Deutschen Haus in Zirnsheim. Nicht jedoch, ohne sie auf die Tücke eines Besuchs dieser Gaststätte hinzuweisen. Die zum einen im zwei Kilometer langen Fußmarsch über den ausgebauten, von alten Apfelbäumen gesäumten Feldweg besteht. Und zum anderen aus dem nationalistischen Wirt und seinem zu wenigstens einem Drittel ganz ähnlich gepolten Publikum.
    Haben die sechs jungen Berliner noch die Augen verdreht, als Benjamin die zwei Kilometer erwähnt, grinsen sie sich vielsagend an, als die Sprache auf die Gesinnung des Wirtes und seiner Kundschaft kommt.
    Es sind stattliche Burschen, soweit sich das von außen erkennen lässt. Bei fast allen spannen sich die T-Shirts über den muskulösen Oberkörpern. Solche Oberkörper bekommt man nur, wenn man regelmäßig trainiert. Ihre Arme sind tätowiert und bei jenen, die knielange Hosen tragen, auch die Waden. Sie wissen, dass sie nicht nur gefährlich aussehen, sondern auch gefährlich sein können.
    Laut und übermütig machen sie sich auf den Weg, da ist es kurz nach zehn.
    Zur selben Zeit übergibt die Spätschicht von Winfried Jagodas Bürgerwehr die Verantwortung für die Sicherheit der Großgemeinde Altwassmuth an die Nachtpatrouille. Der Vorgang wird informell an der Theke erledigt. Das Protokoll für die Ablösung ist ein mündliches, und es besagt: Vorkommnisse keine. Trotzdem sind besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten, denn man hat durchaus die Anwesenheit des schwarzen Blocks im Dorf registriert. Und man weiß um dessen Absicht, Altwassmuth in der öffentlichen Wahrnehmung zu diskreditieren.
    »Du warst zur selben Zeit an zwei verschiedenen Orten? Bei den Jungs aus Berlin und bei der Bürgerwehr am Tresen?«
    »Mensch, man kann sich doch denken, dass es unjefähr so jewesen war. Dit is meine erzählerische Freiheit als Augenzeuge. Is do’ irjendwie logisch, dass die inne Kneipe sitzen und die Schicht überjeben. Mit ’ner Molle und ’nem Korn. Willste die Jeschichte eijentlich hörn oder lieber ins Bett und den Kater ausschlafen?«
    »Doch, doch, erzähl ruhig weiter.«
    »Dann unterbreche mich bitte nich dauernd, wa? Man dankt!«
    Während die schwarz gekleideten Burschen, in der Vorfreude auf Bier und möglichen Stunk, laut Parolen grölend, fröhlich die Dorfstraße entlangmarschieren, postieren sich die Männer der für diese Nacht eigens auf sechs Personen aufgestockten Jagoda-Miliz kurz hinter den letzten Häusern von Zirnsheim in den Drainagegräben jenseits der Huckelpiste, hinter den knorrigen Obstgehölzen, die die Allee säumen und hinter allem, was sonst noch Deckung bietet. Einen Hund, dessen Bellen sie verraten könnte, führen sie heute nicht mit. Lediglich Messer, Baseballschläger und Taschenlampen. Sie sind so gut wie unsichtbar in ihren schwarzen Hemden und Hosen, sie sind angespannt und konzentriert, und ihre Anspannung steigt, je lauter das Grölen der Berliner wird, die sie schon seit einer ganzen Weile hören können. Ihr Geschrei hallt weit durch die Nacht: Sie skandieren Sprüche gegen das Landleben im Allgemeinen und gegen jenes der fünf neuen Bundesländer im Speziellen. Was es den Milizionären nicht eben leichter macht, sie vielleicht doch ein kleines bisschen zu mögen.
    Als die Berliner an ihnen vorbeilaufen, drücken Jagodas Leute ihre Gesichter in den Boden. Aber auch ohne diese Maßnahme wären sie nicht entdeckt worden, denn die Burschen ahnen nicht, dass sie unter Beobachtung stehen. Sie sind vollkommen arglos, sie sind selbstsicher, entspannt, und sie wissen um ihren Mut, den sie schon in zahlreichen Schlachten gegen die Polizei bewiesen haben.
    Leider aber sind sie auch durstig. Als sie vor dem Deutschen Haus ankommen und das Leuchtschild über der Gaststättentür sehen, auf dem in Sütterlin der Name des Etablissements geschrieben steht, schlägt einer sofort vor, das Schild einzuwerfen, aber ein anderer wendet ein, dass sie dann vielleicht kein Bier mehr bekämen und spricht sich dafür aus, das Schild erst auf dem Heimweg zu demolieren.
    Im Deutschen Haus ist man dank der verborgenen Milizionäre am Wegesrand über die eintreffende Kundschaft informiert. Es sind acht Personen in der Gaststube, plus Wolf Kretzschmer, der es sich gegen den Willen der Mehrheit nicht verkneifen kann, eine Reichskriegsflagge hinter der Theke aufzuspannen. Eine gut gebügelte Fahne, die er noch aus den neunziger Jahren besitzt, als es nicht nur in Altwassmuth

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