Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
Vom Netzwerk:
in anderthalb Jahren vertreten soll, keinen Tag länger warten.
    Es geht dann überraschenderweise doch nicht um ein Model.
    »Die Marktforschung hat herausgefunden, dass eine Lidschattenlinie mit Herbstfarben von vielen unserer Kundinnen geradezu herbeigesehnt wird!«, jubiliert unser Geschäftsführer. »Wir legen also eine neue Linie auf. Wir brauchen ein Konzept, einen Namen, die richtigen Farben und ein elegantes Design. Wer möchte die Projektgruppe leiten?«
    Schweigen im Walde. Mike betrachtet engagiert seine Fingernägel. Ich fixiere eine Fliege an der Wand.
    »Luisa, könntest du das übernehmen? Du hast die Aqua-Linie damals so gut eingefädelt, dass der Vorstand heute noch davon schwärmt.«
    »Äh, ja. Mach ich.«
    Mist. Jetzt habe ich tatsächlich nicht nur das Konzept an der Backe, von dem ich vorhin Elaine vorgelogen habe, sondern auch das Thema, mit dem ich mich auch für die Hochzeit rumschlage: Herbst. Irgendwo da oben sitzt ein alter, bärtiger Mann, der sich gerade über mich kaputtlacht.
    Wenn mich mein eigenes Leben überfordert, kümmere ich mich immer gerne um das der anderen.
    An: Bernhard von Denkwitz
    Cc: Mark Schwarz
    Betreff: Samstag
    Lieber Barnie,
    das war ja ein unverhofftes Zusammentreffen gestern Abend. Ich würde Lilly gern mal richtig kennenlernen. Möchtet ihr nächsten Samstagabend zum Essen vorbeikommen, so gegen 20 Uhr?
    Grüße,
    Luisa
    Die Antwort kommt schnell.
    Liebe Luisa,
    danke für die Einladung. Ich komme gern, und ich bringe Lilly mit. Aber sie ist nicht meine Freundin, also bitte keine Fragen à la Wie lange seid ihr schon zusammen, ja?
    Sie verträgt übrigens keinen Fisch und keine Meeresfrüchte mehr, seit sie schwanger ist. Aber Fleisch isst sie gern. Nur nicht blutig. Und Gemüse auch, zurzeit ist sie vor allem ganz wild auf Auberginen.
    Bis Samstag.
    Barnie
    So, so. Sie ist nicht seine Freundin, aber er kann ihre bevorzugten Speisen runterbeten. Das verstehe, wer will.
    Mark
    Heute gehe ich nicht in die Praxis, sondern auf einen Kongress. Das bedeutet: Anzug und Rasur. Selbst dabei bekomme ich das Grinsen nicht aus dem Gesicht. Haben die gestern Abend in der Nachspielzeit glatt noch das 3:0 geschossen. Auswärts. In Barcelona. Gegen die beste Mannschaft der Welt. Ich bin einfach nur glücklich. Abgesehen davon – obwohl man Fußball naturgemäß immer in die Rechnung einbeziehen muss – war der Sex letzte Nacht auch nicht übel. Wir waren noch nicht mal richtig zur Tür herein, da stürzte sich Luisa bereits auf mich. Nicht, dass mich das gestört hätte. Im Gegenteil. Unser Liebesleben dürfte gerne ein bisschen aufregender sein. Wenn ich an unsere Anfänge zurückdenke, dann denke ich an sehr viel nackte Haut und nicht so viel Blabla.
    Leider haben wir längst Verhaltensweisen eines alten Ehepaars angenommen. Wir schlafen fast nur noch an den Wochenenden miteinander. Werktagssex ist die Ausnahme, was vor allem daran liegt, dass wir ziemlich spät von der Arbeit nach Hause kommen, von selbiger erschöpft sind und dann noch nichts gegessen haben. Schon klar, jedes Wochenende richtig guter Sex ist besser als täglicher mittelmäßiger Sex. Qualität statt Quantität. Das hätte ich vor fünfzehn Jahren noch anders gesehen, aber man wird ja auch klüger mit der Zeit. Vielleicht sollte ich Luisa trotzdem vorschlagen, dass Mittwoch nicht nur die Glotze kalt bleibt, sondern auch der Herd, und wir die Zeit besser nutzen, sprich: A little less conversation, a little more action, please.
    Elvis war schon nicht der schlechteste Philosoph. Schade, dass er im Alter so fett geworden ist. Hoffentlich passiert mir das nicht. Ich sollte mehr Sport treiben, und damit meine ich jetzt nicht Bodenturnen. Dumm nur, dass Fußball vor dem Fernseher für die Fitness nicht viel bringt. Aber Joggen im Englischen Garten oder Walken an der Isar finde ich auch doof. Da schlafen mir nach hundert Metern die Füße ein, so absurd langweilig ist das. Selbst beim Gedanken daran muss ich gähnen. Ich könnte vielleicht mal wieder mit meinem Vater Tennis spielen. Bei der Gelegenheit könnte ich ihn auch gleich zu unserer kleinen Hochzeitsfeier einladen.
    Fürs Erste nehme ich Treppe statt Aufzug – und fühle mich gleich ein bisschen athletischer. Ich klemme mich hinters Steuer, lasse den Motor an und fahre meine alte Ente aus der Tiefgarage. Sicherheitshalber verwerfe ich den Anflug eines Gedankens, etwas sportlicher durch die Stadt zu donnern. Mein Punktekonto in Flensburg sieht gar nicht

Weitere Kostenlose Bücher