Wer ist die Coolste im ganzen Land
sitze, ist er immer noch nicht wirklich gut.«
»Na ja, schlecht ist er nicht«, sagte Halley ehrlich, während sie Sofees Arbeit begutachtete. Wobei man natürlich zugeben musste, dass es Sofee nicht perfekt gelungen war, Wades Vollkommenheit einzufangen. Und von der hinrei ßenden Sommersprosse fehlte jede Spur. »Aber ich kann ihn ja noch mal überarbeiten, wenn du willst.«
»Oh ja, bitte !«, flehte Sofee, als sie an einer Reihe der goldfarbenen Spinde vorbeischlenderten. »Du kannst einfach viel besser zeichnen als ich.«
»Dafür wirst du ein verdammter Rockstar!«, rief Halley, als sie an ihrem Spind in der Nähe der Eingangshalle angekommen waren.
Sofee sah sich vorsichtig um, als suche sie nach jemandem, und beugte sich dann zu Halley vor. »Weißt du, was ich nicht kapiere?«, flüsterte sie.
»Was?«, fragte Halley und gab ihre Schließfachnummer ein: 23-12-96 - Avalons Geburtstag. Die wiederum hatte Halleys Geburtstag als Code.
»Wie jemand wie du mit Avalon Greene befreundet sein kann.« Sofee zupfte an einem losen Faden, der am Saum ihres Shirts hing. »Ich meine, ich weiß, du hast gesagt, dass sie cool ist und dass ich ihr eine Chance geben soll … aber, na ja, ich habs versucht und kapier es einfach immer noch nicht.« Sofee zog entschuldigend die Schultern hoch. »Du bist so nett und entspannt und sie ist echt die volle Zicke.«
Halley kämpfte mit dem Bedürfnis, ihre beste Freundin -
äh, ehemals beste Freundin - zu verteidigen. Letzte Woche noch hätte sie geantwortet, dass Avalon eben sehr speziell sei. Aber jetzt? Zum ersten Mal musste sie zugeben, dass an der Kritik etwas dran war.
»Hmmm.« Halley schloss stirnrunzelnd ihre Spindtür. »Vielleicht ist das der Grund, warum wir nicht mehr befreundet sind.«
»Echt?« Sofees dunkle Augen fingen augenblicklich an zu leuchten.
Halley nickte zögerlich. Es war ein seltsames Gefühl, es laut auszusprechen. Beim Mittagessen mit Carrie, Anna und Lizbeth war sie nicht ins Detail gegangen und hatte nur gesagt, sie und Avalon hätten eine Meinungsverschiedenheit gehabt, weil sie in dem Moment selbst noch nicht gewusst hatte, was eigentlich los war. Aber jetzt wusste sie es.
Als Halley ihre Tasche öffnete, um die Kunstmappe gegen den Erdkunde-Ordner auszutauschen, fiel ihr Blick auf den orangen Hefter mit Avalons dämlichem Trennungsvertrag. Dass sie so völlig durch den Wind war, lag nur an dieser lächerlichen Vereinbarung - und daran, dass Avalon ihr an den Kopf geworfen hatte, sie würde sich nicht als Hundemutter eignen. Halley atmete tief durch und versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass es ihr gutes Recht war, über ihre Ex-BF zu lästern. »Es ist einfach wahnsinnig anstrengend, mit jemandem befreundet zu sein, der so dermaßen zickig ist, verstehst du?«
»Total!« Sofee klang erleichtert. »Ist sie immer so zwanghaft ?«
»Voll!«, sagte Halley, ohne nachzudenken. »Ich meine, kannst du dir vorstellen, dass sie ihre Unterwäschekommode nach Farben ordnet und jede Schublade mit Ablaufdaten
beschriftet, damit sie sich nicht mit ausgeleierten Gummis herumschlagen muss?«
»Wie krank ist das denn?« Sofee lachte Tränen.
Und obwohl Halley mitlachte, fühlte sie sich unbehaglich dabei. Die Geschichte stimmte zwar, hörte sich aber viel schlimmer an, als sie es in Wirklichkeit war. Sie kam sich wie bei einem Tauziehen vor - ihre Gefühle für die alte Avalon zogen sie in die eine und ihre Abneigung gegen die neue Avalon in die andere Richtung. Bisher hatte Halley es für eine ziemlich geniale Idee gehalten, dass Avalon ihre Unterwäscheschubladen beschriftete. Aber jetzt machte es ihr Spaß, sich darüber lustig zu machen. Bisher hatte sie Avalon immer verteidigt. Aber jetzt plauderte sie Geheimnisse aus, auf deren absolute Geheimhaltung sie bei einem Stapel seltener alter Vogues geschworen hatte.
»Also wenn du nicht mit Avalon verabredet bist«, begann Sofee, »könntest du ja vielleicht morgen nach der Schule zur Bandprobe kommen und dir ein bisschen Inspiration für den Flyer holen.«
Kaum waren die Worte über Sofees mauvefarben geglosste Lippen, lichtete sich der Nebel, und Halley fühlte sich wieder ganz wie sie selbst. Nein, wie eine bessere, Avalon-freie Version ihrer Selbst: entspannt, selbstbewusst und glücklich. Sie würde Wade wiedersehen, und vielleicht - ganz vielleicht - würde er ihr, sobald sie einander tief in die Augen geblickt hätten, gestehen, dass er einen neuen Song geschrieben hatte, in dem es
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