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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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ich seine lustige Story vom duschenden Boris Becker unterbrechen und ihn einfach küssen würde, trat ein edler Lodenmantel mit Kaschmirschal und schweinsledernem Aktenkoffer zu uns. Der schöne Andi. Eine Flucht war zwecklos.
    «Hallo, Marie!», sagte er. «Du hier? Ich dachte, du bist heute in Hamburg und kannst deswegen nicht mit mir essen gehen?» Im Lügen war ich noch nie gut. Mist, Mist, Mist.
    «Hiiii, Andi!! Äh, ich, also, umpf, weißt du   …», stotterte ich, doch er hatte inzwischen Paul entdeckt, der schweigend dastand und die schöne Stirn unter seiner Mütze runzelte. «Ah, grüß Gott!», sagte Andi betont höflich, «na, dann will ich nicht weiter stören. Schönen Abend noch!» Und weg war er. Ich atmete auf und ermunterte Paul, seine Geschichte weiterzuerzählen. Doch der war auf einmal ganz seltsam.
    «Wer war’n das?»
    «Och, das war nur der schö   … der Andi, den kenn ich schon gaaaaanz lang, ein alter Kumpel!», rief ich, eine Spur zu fröhlich.
    «Soso. Der schöne Andi.» Puh, kann Paul finster schauen!! Ich konnte es nicht fassen. Paul war eifersüchtig. Meinetwegen. Innerlich jubilierend, hatte ich alle Mühe, ihn wieder zum Lächeln zu bringen. Hinterher an der Bushaltestelle wollte er mich gar nicht freiwillig küssen. Er guckte einfach geradeaus. Dummerweise bin ich circa 21   Zentimeter kleiner als er, da helfen auch die Stiefel mit den hohen Absätzen nichts. Ich musste meinen verführerischsten Kind-und-Vamp-Blick aufsetzen und ihn zwei Minuten lang an der Jacke zupfen, bis er endlich weich wurde und sich zu mir hinunterbeugte   …
     
    Doch jetzt zum Skiwochenende. Jeder Münchner hat sich ja sicher schon mal gefragt: Wo befindet sich die Wiesn, wenn gerade nicht Oktoberfest ist? Ich weiß es jetzt. Sie befindet sich in der Edelweißhütte in Obertauern. Unglaublich. Um 15   Uhr, draußen schien die helle Nachmittagssonne, fielen wir (ungefähr 20   Jungs und fünf Mädels) in besagte Hütte ein. Kurz vor 16   Uhr ging es zu wie bei Karstadt zu Beginn des Sommerschlussverkaufs. Punkt 16   Uhr dann auf einmal laute Musik: «Juchhe auf da Oim, juchhe auf da Hüttn!» Ich sah mir selbstverwundert zu, wie ich innerhalb von zwei Minuten von Stimmung null («Mann, ist das voll hier, wo bleibt mein Bier, und überhaupt, ich will hier raus!») auf Stimmung hundert (gröl, tanz, trink, schäker) katapultiert wurde. Ein groteskes Bild   – Menschen in Skistiefeln, die auf den Bänken ausgelassen Sirtaki tanzen. Die alte Frage – warum entblößen immer nur die unsportlichen, am Rücken behaarten und tendenziell unappetitlichen Männer ihre Oberkörper? Ein Exemplar dieser Sorte stand direkt neben mir und präsentierte mir stolzgeschwellt und mit erhobenen Armen tanzend seinen männlich-herben Duft. Sollte mich wohl anmachen. Uargh. Zum Glück retteten mich die fünf Minuten zuvor kennen gelernten original «Steyrer Buam», indem sie den Nackerten fast unmerklich, aber bestimmt von mir abdrängten. Danke, Jungs.
    Exakt zwei Stunden und etliche Hüttenkracher à la «Schifoan», «Skandal im Sperrbezirk» und «Ketchup Song» später war dann abrupt Schluss. «Polizeistund», rief der DJ und scheuchte alle aus der Hütte. Tja. Gar nicht so einfach, nach vier Weißbier und im Stockfinstern a) die vorher irgendwo hingeschmissenen Skier zu finden, b) sie anzuschnallen (dazu muss man kurz auf einem Bein stehen, für alle Nichtalpinisten) und c) damit einen steilen Berg hinunterzufahren. Zum Glück gab es Bernd, an den ich mich dabei kreischend und quietschend klammern durfte. Bis zum «Schirm», dem nächsten Einkehrpunkt unten am Ende der Skipiste. Danach weiß ich nicht mehr allzu viel. Ist aber vielleicht auch besser so   …

DONNERSTAG, 19.   DEZEMBER 2002 – LUST
    Heute Morgen wache ich ungewöhnlich früh auf. Der Radiowecker zeigt 6   Uhr 30.   Ich bin putzmunter, obwohl ich gestern erst um zwei ins Bett gekommen bin. In meinem Magen kribbelt es. Das erinnert mich an das Gefühl, das ich als sechsjährigesMädchen hatte, wenn mein Geburtstag endlich da war und ich ab fünf Uhr morgens schlaflos dem Moment entgegenfieberte, an dem meine Eltern mit einer brennenden Kerze an mein Bett traten, flüsternd und wispernd («Psssst, sie wacht gleich auf!»), und dann mit noch morgenrauer Stimme «Happy birthday to you» sangen. Danach gab’s Geschenke.
     
    Hab ich was verpasst? Ist heute schon Weihnachten, steht ein besonderer Termin an, ist ein spezieller Tag? Mir fällt

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