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Wer morgens lacht

Wer morgens lacht

Titel: Wer morgens lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Selbstmord.
    Warum willst du das eigentlich wissen?, frage ich noch einmal.
    Weil ich dich mag, sagt Ricki einfach.
    Ich schaue sie an und einen Moment lang packt mich das alte Misstrauen, und in meinem Kopf meine ich Maries Stimme zu hören, lass dich nicht einwickeln, Anne, was ist, wenn sie dich nur aushorchen will, um bei Gelegenheit etwas gegen dich in der Hand zu haben? Hast du vergessen, dass man vorsichtig sein muss? Du bist ein Schaf, Anne, du glaubst noch immer alles, was man dir sagt, wie willst du wissen, wohin das alles führt?
    Ricki lächelt, ich sehe ihre Grübchen und sage unhörbar, halt’s Maul, Marie, und laut sage ich, nach dem Essen? Bei dir?
    Gern, sagt Ricki.
    Ich lasse mir nicht anmerken, wie durcheinander ich bin, ich brate die Zwiebeln in Butter, bevor ich die Putenschnitzel in Streifen schneide und die Champignons viertele. Ricki rührt inzwischen den Risotto, und in der Küche verbreitet sich ein verlockender Duft. Auf was habe ich mich da eingelassen, denke ich, ich habe keine Ahnung, was ich ihr erzählen soll, ich weiß doch selbst nicht, was Maries Verschwinden mit mir gemacht hat, ob es viel oder wenig war und was davon tatsächlich mit Marie zu tun hatte oder was sowieso passiert wäre, weil ich eben so war, wie ich war. Zum Beispiel hätte ich, wenn sie nicht abgehauen wäre, Marco nie kennengelernt, trotzdem war es nicht ihre Schuld, dass ich in die Falle getappt bin, sie hat mich nicht geschubst, sie hat mich nicht dazu verführt, ich bin ganz allein in den Hundehaufen getreten, was heißt da getreten, ich bin mit Karacho hineingesprungen.
    Nach dem Essen räume ich noch das Geschirr in die Spüle und dusche, bevor ich zu Ricki gehe. Sie in ihrem Zimmer zu besuchen, hat etwas Offizielles, es ist etwas ganz anderes, als wenn wir nach dem Essen am Küchentisch sitzen bleiben und reden oder im Wohnzimmer fernsehen oder mal ein Glas Wein zusammen trinken, wir achten gegenseitig unsere Privatsphäre, das heißt unsere Zimmer, und vermutlich ist das sogar entscheidend für ein harmonisches Zusammenleben.
    Auch für Ricki scheint es etwas Besonderes zu sein, sie hat sich auf meinen Besuch vorbereitet, auf dem Tisch stehen Tassen und eine Teekanne, daneben liegt eine angebrochene Pralinenschachtel, und aus ihrem iPod kommt Musik, eine Sängerin, die auf Deutsch singt, sie hat ein Faible für deutsche Songs.
    Annett Louisan?, frage ich, die Stimme ist unverkennbar.
    Sie nickt, habe ich mir runtergeladen, aber es kommen noch andere. Magst du Tee?
    Ja, gern.
    Ricki hat das Deckenlicht ausgemacht, nur drei Kerzen brennen, einfache Teelichter, trotzdem sehe ich die vielen kleinen Gegenstände, die sie überall herumstehen hat, auf der Fensterbank, in den Regalen vor der Büchern, hinten auf ihrem Schreibtisch, auch wenn ich die einzelnen Figuren in dem schummrigen Licht nicht wirklich erkennen kann, weiß ich doch, dass sie da sind, weil ich sie schon oft betrachtet habe, all diese unnützen kleinen Dinge, die Ricki mit zärtlicher Ironie »meine Nippes« nennt und an denen sie hängt. Das ist eine Marotte von mir, hat sie gesagt, ich brauche das Zeug, um mich an alte Freunde zu erinnern, an besondere Ereignisse, an Reisen, an Feten, an alles, was ich erlebt habe, natürlich sind viele Sachen kitschig, aber sie bringen Struktur in mein Leben und in meine Erinnerungen.
    Ich weiß noch, wie ich damals, nach meinem Einzug, ihre Sammlung von Püppchen und Figürchen bestaunt hatte, von einer russischen Babuschka, einem Gipsmops, einer kitschigen amerikanischen Freiheitsstatue und einer Porzellantänzerin bis hin zu einer Schneekugel mit der Dresdener Frauenkirche. Ich hatte mich gefühlt wie ein Kind, das zum ersten Mal in einem Spielwarenladen steht und die Wunder bestaunt, so etwas hatte ich noch nie gesehen, bei uns zu Hause gab es nichts Überflüssiges, Staubfänger, hätte meine Mutter gesagt, wozu soll so etwas gut sein, das braucht doch kein Mensch. Stimmt, brauchen tut man es nicht, aber es ist hübsch.
    Ricki sitzt auf dem Sofa, in ihrem moosgrünen Pullover, und hat, wie sie es oft tut, ein Bein unter den Körper gezogen, im Kerzenlicht wirkt ihr Gesicht weicher und kindlicher und ihre Haare sprühen Funken. Ich setze mich ihr gegenüber in den Sessel und nehme, um Zeit zu gewinnen, eine Praline aus der Schachtel und stecke sie in den Mund, ich gieße mir Tee ein, rutsche auf meinem Sessel hin und her, als würde ich eine bequeme Sitzposition suchen, während ich eigentlich am

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