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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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aus einem einfachen Holzboden mit einem Loch in der Mitte bestand. Na, das kann ja heiter werden , dachte ich. Fliegen kreisten träge über dem Loch. Als ich mich darüberkauerte, überlegte ich, ob mir wohl eine in die Vagina fliegen könnte und was man in so einer Situation wohl unternahm. Glücklicherweise ergriffen sie erschrocken die Flucht. Meine schon etwas überstrapazierten Oberschenkelmuskeln zitterten ein wenig, als ich mein Gewicht balancierte, aber das eigentliche Problem war meine Harnröhre, die schon immer eher wie eine fünfstrahlige Düse statt wie ein Wasserschlauch gearbeitet hatte. Das mochte noch gehen, wenn man auf einer Toilette saß, aber jetzt spritzte der Urin fröhlich in alle Richtungen, über meine Hinterbacken, die Rückseite meiner Beine und in die Schäfte meiner Wanderstiefel.
    Unser erstes Übernachtungsquartier war Mandara Hut, ein Lager auf einer nebligen Waldlichtung. Als wir am späten Nachmittag ankamen, waren die Träger schon seit Stunden dort und sprachen in ihre Handys, während sie über die grasbewachsenen Hänge stapften. Einer von ihnen hatte sogar ein Bluetooth-Headset am Ohr. Nachdem wir unser Quartier bezogen hatten, trotteten wir in einen Speisesaal mit langen Tischen. Dort hörte man zwar alle möglichen Sprachen, aber damit endete die Vielfalt auch schon wieder. Bis auf eine asiatische Gruppe waren alle Wanderer Weiße. Die Gruppen wanderten getrennt auf den Berg, aber sie übernachteten und aßen alle an denselben drei Lagerplätzen. Die größte Gruppe bestand aus dreiundzwanzig Wanderern, Kirchgängern aus D. C., die den Berg bestiegen, um Geld für sauberes Wasser für Liberia zu sammeln. Der Pfarrer, der seinen zehnjährigen Sohn mitgenommen hatte, schlug so kräftig gegen sein Glas, dass nicht nur sein Tisch, sondern der ganze Saal verstummte. Dann sprach er mit gebieterischer Stimme das Tischgebet. »Herr Jesus, wir danken dir für die Bande, die wir auf dieser Reise geknüpft haben, und wir bitten dich, dass du heute Abend unsere Tischgespräche so leitest, dass wir unsere Freundschaften weiter festigen. Im Namen Christi. Amen.«
    Ich löffelte mir gerade meine Linsensuppe rein, als Marie mir zuflüsterte: »Siehst du den Typen da drüben?« Ich folgte ihrem Blick zu einem Mann im Rollstuhl. »Vorhin hab ich zufällig aufgeschnappt, dass er querschnittsgelähmt ist. Seine Freunde ziehen seinen Rollstuhl mit Seilen den Berg hoch.«
    Während ich zusah, wie der Mann von einem anderen Wanderer gefüttert wurde, fragte ich mich, ob er wohl schon immer gelähmt gewesen war. Und waren sie schon vorher Freunde gewesen oder erst danach? Und was würde mehr über ihren Charakter aussagen?
    Nachdem wir fertig gegessen hatten, zogen wir drei uns in unsere Hütte zurück. Es waren einzeln stehende Holzhütten mit steilen Dächern. In die abgeschrägten Wände waren drei schmale Stockbetten eingebaut, auf denen dünne, mit Plastik überzogene Matten lagen. Es war so eng, dass wir nur abwechselnd in der Mitte der Hütte stehen konnten. So ähnlich wie die Unterbringung auf der Manatee . Es gab genug Hütten im Lager, um sechzig Personen zu beherbergen. Wenig später brachte uns ein Träger heißes Wasser zum Zähneputzen, um sich gleich wieder in die separaten Unterkünfte der Träger und Bergführer am anderen Ende des Lagers zurückzuziehen. Da wir nicht vor halb acht aufstehen mussten, nahm ich an, dass wir noch ein paar Stunden lesen oder plaudern würden, doch Marie und Henri machten sich um 20 Uhr schon bettfertig, und mir blieb nichts anderes übrig, als mich ihnen anzuschließen. Da der Speisesaal schon geschlossen war, konnte ich nirgendwo anders mehr hingehen.
    Die Hütten waren ungeheizt, daher schliefen wir in unseren Fleece-Wanderhosen und Sweatshirts. Es war das erste Mal, dass ich mich zum Schlafengehen wärmer anziehen musste als am Tag. Ich zog das blaue Fleece-Shirt an, das Jessica mir geliehen hatte. Mit dem Wissen, dass sie es auch schon angehabt hatte, fühlte ich mich gleich weniger einsam.
    Wir suchten uns jeder ein unteres Bett aus und rollten unsere Schlafsäcke aus. Im Gegensatz zu normalen Schlafsäcken, bei denen Hals und Kopf sich selbst überlassen bleiben, gingen diese noch weiter über Schultern und Kopf, mit einer Öffnung fürs Gesicht. Ich merkte, dass sie die Form eines Mumiensarges hatten – oben breiter, nach unten enger zulaufend. Normalerweise schlafe ich immer auf der Seite, aber aufgrund der Enge gab es nur zwei Positionen

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