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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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Moorlandschaft hätte von Dr. Seuss stammen können, vor allem die Riesenlobelien mit ihrem schmalen Stamm und den bauchigen Verzweigungen, die oben in einem Afro aus leuchtenden Blättern explodierten.
    Ich war gerade ganz in meinen Gedanken versunken und wunderte mich über das völlige Ausbleiben eines Muskelkaters, als Marie fragte: »Glaubst du, dass du Matt heiraten wirst?«
    Ich blinzelte: »Was?« Ich konnte es nicht glauben, dass mich diese Frage bis auf einen Berg in Afrika verfolgte. Andererseits, wenn der Tod von Michael Jackson sich bis hierher herumsprach, war wohl alles möglich.
    »Du hast ihn heute beim Frühstück als deinen Ehemann bezeichnet, deswegen dachte ich …«
    »Was? Nein, hab ich nicht.« Ich versuchte mir unsere Unterhaltung wieder ins Gedächtnis zu rufen. »Ich hab ihn als meinen Freund bezeichnet.«
    »Doch, du hast ihn deinen Ehemann genannt.«
    »Dann hast du vielleicht kurz vorher das Wort ›Ehemann‹ benutzt, und ich hab es versehentlich wiederholt. Oder vielleicht hat mich auch schon die Höhe ein bisschen benebelt.«
    Sie lächelte wissend. »Na ja, du hast es jedenfalls gesagt. Henri und ich haben es beide gehört.« Sie wandte sich zu ihm, und er nickte bestätigend. Henri war heute leicht angefressen. Als wir am Morgen losgingen, hatte er sich heimlich an die Spitze gesetzt und unser Tempo gesteigert, bis wir fast schon ins Traben kamen. Dismas musste einen Hilfsführer nach vorne schicken, um ihn ein wenig auszubremsen, und seitdem lief Henri mit finsterer Miene herum. Wenn Marie ihm einen Energieriegel anbot oder ihn fragte, wie es ihm ginge, antwortete er nur kurz angebunden. Doch Marie ließ sich nicht beeindrucken, entweder merkte sie es nicht, oder es war ihr egal.
    Wir kamen an einem Träger vorbei, der atemlos am Wegesrand saß. Marie bot ihm an, ihm einen halben Liter Wasser in seine leere Flasche zu gießen, und er nahm dankbar an.
    »Ich bin Krankenschwester.« Sie zuckte mit den Schultern, als wir weitergingen. »Ich bin es gewöhnt, mich um Leute zu kümmern.« Wenige Minuten später streckte Henri schweigend den Arm aus und nahm Maries Hand. Ich musste in mich hineinlächeln.
    Am Vortag hatte Marie zugegeben, dass sie den Namen unseres Führers Dismas erst als »Dismal« (Englisch für »jämmerlich«, Anm. d. Übersetzers) verstanden hatte. Jetzt musste ich mich den ganzen Tag zusammenreißen, ihn nicht Dismal zu nennen. Wir trugen Hosen und T-Shirts, zogen uns aber immer langärmlige Oberteile über, sobald der Nebel kam. Und er kam oft, und zwar mit erstaunlicher Geschwindigkeit. In der einen Minute war die Luft klar, in der nächsten starrte ich in eine weiße Wand und konnte nicht mehr weiter blicken als fünf, sechs Meter.
    Die Hütten von Horombo waren nach oben spitz zulaufend wie in Mandara, aber in einem unheilverkündenden Schwarz gestrichen, das einen starken Kontrast zu den weißen Wolken bildete, die sich über die Felsen schoben wie die schaumgekrönten Wellen an der Küste Kaliforniens. Auf 3700 Metern Höhe befanden wir uns schon oberhalb der Wolkendecke. Der Sonnenuntergang färbte die Wolken rosa, was sie irgendwie mädchenhaft und ein wenig lächerlich aussehen ließ. Nach dem Abendessen machte ich einen Spaziergang und landete im Lagerbereich, in dem die Träger untergebracht waren. Die Hälfte von ihnen grinste und grüßte mich mit »Jambo«, die andere Hälfte behandelte mich wie einen Eindringling und funkelte mich mürrisch an. In diesem Spannungsfeld bewegte sich der Kilimandscharo-Tourismus – sie wussten, dass sie für ihren Lebensunterhalt auf uns angewiesen waren, und einige von ihnen hassten uns dafür. Ehrlich gesagt, konnte ich ihnen keinen Vorwurf daraus machen.
    Jeden Morgen verstauten wir unsere Schlafsäcke in kleinen Säckchen mit einem Tragegurt, damit man sie besser transportieren konnte. Einen bauschigen, zwei Meter langen Schlafsack in so einen Miniranzen zu stopfen war ein Kunststück, für das ich jedes Mal mehrere Anläufe brauchte. Wenn ich einen Teil endlich hineingestopft hatte, wurde ein anderer wieder herausgedrückt. Und wenn ich den wieder zurückstopfte, ploppte fröhlich ein anderes Stück wieder hervor. Daher war ich ganz froh, als ich an diesem Abend meinen Schlafsack ausrollte, denn ich wusste, dass ich ihn nicht gleich am nächsten Morgen wieder verstauen musste. Wir würden zwei Nächte in diesem Lager bleiben, um uns an die Höhe zu gewöhnen, bevor wir den Gipfel in Angriff nahmen.
    Als Marie aus

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