Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
Kampf.«
Ich steuerte das Flugzeug zu Lenny und versuchte ihn blinzelnd ins Visier zu nehmen, bis er innerhalb des orangen Kreises mit dem Kreuz in der Mitte war. »Soll ich abdrücken?«, fragte ich.
»Wir sind zwar noch nicht aktiviert, aber warum eigentlich nicht? So was fühlt sich schon befriedigend an.«
Ich zog den roten Abzug mit meinem Zeigefinger und machte dazu Pängpängpäng! Es war tatsächlich befriedigend.
»Okay, und jetzt machen wir einen Überschlag seitwärts. Sie ziehen den Steuerknüppel ganz nach links, immer weiter und weiter, sodass sich das Flugzeug um dreihundertsechzig Grad dreht.«
Panik befiel mich. »Oh, ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee wäre!« Meine Stimme war untypisch mädchenhaft und zittrig. »Ich finde das alles gerade ganz prima, so wie es ist. Können wir nicht einfach so weiterfliegen?«
»Nach links! Jetzt! Los, los, los!«, bellte er in bestem Kommandoton, und mir blieb keine andere Wahl.
Eine Flut von Schimpfwörtern ging mir durch den Kopf, als ich den Steuerknüppel so weit hinüberzog, bis er an mein linkes Bein stieß. Wir drehten uns. Plötzlich war unter uns nicht mehr das glitzernde graue Meer, sondern das nahtlose Blau des Himmels. Ich spürte einen deutlichen Druck auf meinem Körper, der aber nicht unbedingt unangenehm war. Dann erschien das Wasser wieder, und wir flogen wieder richtig herum.
»Ist doch cool, oder?«, grinste Boom.
Das … war tatsächlich cool , staunte ich. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich das eben gemacht hatte. Jetzt begriff ich, wie man Soldaten dazu brachte, in die Schlacht zu ziehen – der menschliche Instinkt, einem anderen zu gefallen, kann stärker sein als der Überlebensinstinkt.
Boom ließ mich geradeaus weiterfliegen, während Lenny übte, mich ins Visier zu nehmen.
»So, jetzt geht der Kampf los!«, verkündete Boom.
Oh nein! Jetzt gab es kein Zurück mehr. Boom übernahm den Steuerknüppel und flog mich weg von Lennys und Slicks Maschine. Als wir guten Abstand zwischen uns gelegt hatten, wendete er, sodass Lenny und ich uns entgegenflogen. Wie zwei Revolverhelden, die auf der Hauptstraße einer verlassenen Stadt aufeinander zugehen. Während wir uns einander näherten, bemühte ich mich, schön rechts zu bleiben.
»Der Kampf geht los!«, kam Slicks Stimme knatternd aus dem Funkgerät.
Wuuuuum! Die Flugzeuge schossen aneinander vorbei, linke Tragfläche neben linker Tragfläche. Statt umzudrehen und Lenny nachzusetzen, flog ich geradeaus weiter. Vielleicht konnte ich ihm ja einfach entkommen? Ich hatte ja einen guten Vorsprung. Dieses Flugzeug braucht dringend einen Rückspiegel , dachte ich, während ich über die Schulter blickte, um zu sehen, wie weit er hinter mir lag. Es war seltsam, die Augen so »von der Straße zu nehmen«. Andererseits – hier oben gab es ja keinen, mit dem ich hätte zusammenstoßen können. Lenny beschrieb einen hohen Bogen am Himmel, in der offenkundigen Absicht, sich hinter mich zu manövrieren. Ich starrte auf die Unterseite seines Flugzeugs. Die Tragflächen sahen aus wie Flossen. Ich musste an meinen Tauchgang denken, und wie es sich angefühlt hatte, einen Hai über sich kreisen zu sehen, der von oben zu mir herunterstoßen wollte.
»Schneiden Sie ihm den Weg ab! Schneiden Sie ihm den Weg ab!«, rief Boom
Ihm den Weg abschneiden? Er will, dass ich einem Flugzeug den Weg abschneide? Mit meinem Flugzeug?
»Nach links kippen!«, befahl Boom.
Vorsichtig kippte ich das Flugzeug leicht nach links.
»Weiter! Weiter!«
Ich biss die Zähne zusammen und drückte den Steuerknüppel fester. Das Flugzeug legte sich jäh in einem Neunziggradwinkel auf die Seite, sodass die Flügel komplett vertikal standen. Ich warf einen Blick aus dem linken Fenster. Gruseligerweise sah ich nur eine Wand aus Wasser.
»Die Nase nach unten!«, kommandierte er.
Ich befolgte seinen Befehl, und auf einmal stürzten wir geradewegs auf die Meeresoberfläche zu. Mein Körper fühlte sich ganz leer an – ein schreckliches Gefühl.
»Oh Gott, was ist denn jetzt?« Meine Stimme wurde panisch. »Können Sie mal kurz übernehmen bitte?«
Doch Boom blieb völlig ungerührt. »Nein. Sie haben das alles unter Kontrolle.«
Instinktiv zog ich die Nase nach oben und brachte uns in eine waagerechte Lage, sodass ich das Flugzeug steuern konnte, als würde ich ein Auto fahren. Unter uns lag das Meer. Schon besser.
»Was tun Sie denn? Sie sollen nicht schauen, wo Sie hinfliegen«, rügte Boom. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher