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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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gemeldet. Und im Fall des Falles bist du sowieso in drei Minuten
     da.«
    »Manuel   …«
    »Ein Glas Wein. Bitte.«
    »Noch eins?«
    Sie setzen sich an einen Zweiertisch unter einem Kastanienbaum. Eine Straßenlaterne wirft kalkweißes Licht auf ihre Gesichter.
     Die Zeit scheint stehen zu bleiben, der Ort ist nicht mehr wichtig.
     
    »Was ist mit dir und Barbara?«
    »Wir lieben uns nicht mehr.«
    » Du
liebst sie nicht mehr.«
    »Wenn ich könnte, würde ich die Uhr zurückdrehen.«
    »Würdest du das?«
    »Ja. Barbara ist eine tolle Frau.«
    »Wenn Männer sagen, Soundso ist eine tolle Frau, dann heißt das, dass sie sich nichts aus ihr machen.«
    »Interessant.«
    »Du musst etwas an ihr geliebt haben. Was war es?«
    »Wir hatten beinahe denselben Musikgeschmack. Sie hat über meine Witze gelacht.«
    »Komm schon, Manuel. Das kann nicht alles gewesen sein.«
    »Das ist doch viel. Wir konnten stundenlang im Auto sitzen und gemeinsam Musik hören. Mir war das etwas wert. Die meisten
     Frauen haben einen furchtbaren Musikgeschmack.«
    »Was hat sich geändert?«
    »Ich weiß nicht. Wenn sie weg ist, bin ich erleichtert.«
    »Wie geht es jetzt weiter zwischen euch?«
    »Ich warte darauf, dass sie den Schlussstrich zieht. Wenn ich mich trenne, muss sie mich hassen. Wenn sie sich trennt, können
     wir irgendwann Freunde werden.«
    »So funktionieren wir? Man muss uns nur richtig anfassen?«
    »So habe ich es nicht gemeint.«
    »Wie funktioniere ich denn, deiner Meinung nach?«
    »Ich weiß nicht. Dich will ich nicht erklären.«
    »Du bist noch nicht fertig mit ihr. Ich sehe das. Du bist ein bisschen verliebt in mich, aber noch nicht fertig mit Barbara.«
    »Ja, ich bin verliebt in dich. Schon lange.«
    »Wir werden sehen. Geh jetzt nach Hause. Schenk Barbara einen schönen letzten gemeinsamen Tag.«
    »Gib mir deine Telefonnummer. Bitte.«
    »Nein.«
    »Du stehst nicht im Telefonbuch, und Barbara kann ich nicht fragen. Bitte.«
    »Wir können uns mailen. Und wenn du wieder zurückkommst – falls du wieder zurückkommst   –, werde ich vielleicht da sein.«
    »Du bist eine sehr unbarmherzige Frau.«
    »Vielleicht brauchst du eine unbarmherzige Frau. Paul hat das gebraucht, bei ihm war ich nicht unbarmherzig genug.«

PAUL
    Klaus wartet in der Rechtsmedizin, Graf steht neben ihm und wippt, die Hände in den Taschen seiner speckigen Bundfaltenhose.
     Einer seiner Mitarbeiter schiebt die mit einem beigefarbenen Tuch bedeckte Bahre hinein, bis zu der Wanne, vor der Kreitmeier
     und Graf stehen. Der Mitarbeiter hebt das eine Ende des Tuches an, sodass man das Gesicht von Paul Dahl sehen kann. Klaus
     nickt zum Zeichen, dass er Pauls Identität bestätigt, während Graf zu einem Tisch gegangen ist, um die Papiere des Toten und
     der Polizei abzuzeichnen.
    »Wer hat ihn eigentlich gefunden?«, fragt Graf, nachdem Pauls Körper in die Wanne gewuchtet wurde und der ekelhafte Teil beginnen
     kann.
    »Seine Freundin, glaube ich«, sagt Klaus, und ihm zieht sich der Magen zusammen. Er muss das alles vergessen, seine Schuld,
     sein schlechtes Gewissen, seinen Hass auf sich selbst, er muss das hinter sich lassen, sonst kann er seinen Job nicht erledigen.
    »Auch nicht schön«, sagt Graf und nimmt das Skalpell in die Hand.
    »Was?«
    »Für die arme Frau. War doch bestimmt ein Schock.«
    »Seit wann interessiert Sie so was?«
    »Geben Sie mir mal die Knochensäge. Hinter Ihnen. Und dann gehen Sie ins Büro oder zu Dahls Freundin oder sonst wohin. Ich
     kann Sie hier nicht brauchen.«

PILAR
    Pilar sieht in den Spiegel, während sie den Kajalstrich dicht über dem Wimpernkranz aufträgt; ihre Gesichtszüge verschwimmen
     an den Rändern, als sie sich ganz nach vorne beugt, im Blickpunkt nur ihr linkes, von ein paar Fältchen umrahmtes Auge. Dann
     weicht sie etwas zurück und begutachtet das Ergebnis, nimmt eine Pinzette aus dem Schränkchen neben dem Spiegel und zupft
     sich ein paar dunkle Härchen über den Augenbrauen aus und sieht sich wieder an. Prüfend, als wäre sie eine Fremde, was sie
     ja auch in gewisser Weise ist, denn sie kennt ihr wahres Gesicht nur von Fotos, die Realität nur simulieren, bestenfalls winzige
     Ausschnitte der Wirklichkeit zeigen, in der Bewegung eingefrorene Millisekunden, abhängig von den Lichtverhältnissen und der
     Objektivstärke.
    Paul ist nun drei Tage tot, und sie weiß nicht, was sie tun soll, was richtig wäre, sowohl für sie, als auch für Philipp,
     als auch – posthum – für

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